Verena Winiwarter ist Umwelthistorikerin und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2013 war sie Österreichische Wissenschaftlerin des Jahres. Heute engagiert sie sich u.a. bei den Scientists for Future. Am 31. Oktober hielt die Expertin auf Einladung des Arbeitskreises Klima & Nachhaltigkeit des Salzburger Bildungswerks, des Friedensbüros und der Scientists for Future Salzburg einen Vortrag über „Militär, Umwelt, Klima.

Gleich zu Beginn ihrer Ausführungen erweiterte Winiwarter den Titel des Vortrags, weil es auch und insbesondere um Militarismus gehe, was sie an den aktuellen Bedrohungsdiskursen in Europa festmachte: „Krieg wird normalisiert, (Auf-)Rüstung zur unvermeidlichen Staatsräson. Frieden wird als ´Ideal für Phantasten´ desavouiert – Realismus´ sei gefragt. Und: Die negativen Folgen militärischer Operationen werden öffentlich weniger und weniger prominent diskutiert. Nukleare Abschreckung wird als Tatsache dargestellt.“

Dies sei ein großes Problem, wie Winiwarter darlegte. Fossile Energie durchziehe jedes Kriegsgeschehen seit dem Ersten Weltkrieg: „Kriege hinterlassen eine Spur der Verwüstung, die ohne Öl und Gas nicht möglich wäre, sie bewirken massive Treibhausgasemissionen und vergiften Böden und Wasser.“ Die ökologische Krise (Klima, Biodiversität…) werde durch Kriege wie jenen in der Ukraine in mehrfacher Hinsicht eskaliert. Eine konfrontative Weltordnung mit massiven Investitionen in Waffen dränge die Bekämpfung der Klimakrise zurück. Zudem koste jeder Krieg nicht nur unzählige Menschenleben, sondern zerstöre auch lebenswichtige materielle Grundlagen jeder Gesellschaft: „Krieg ist die absichtliche Lahmlegung von Infrastruktur, mit Taktiken wie der Verminung von Land, dem Sprengen von Dämmen und vielen weiteren Akten der kriegstaktisch gewollten Zerstörung.“ Krieg zerstöre die Nachhaltigkeit von Gesellschaft noch mehr als andere Aktivitäten.

Gefährliche Altlasten durch Kriege und Rüstungsproduktion

Zudem würden Kriege und andere militärische Aktivitäten zu gefährlichen Altlasten führen, wie Winiwarter etwa an den langfristigen Schäden durch die Atomwaffenproduktion, dem radioaktiven Abraum für die Urangewinnung oder den aktuell wieder im Raum stehenden Atomwaffentest aufzeigte. Die globale Sicherheit habe sich im letzten Jahrzehnt deutlich verschlechtert, so Analysen des Friedensforschungsinstituts SIPRI in Oslo. Die Zahl der bewaffneten Konflikte habe zugenommen (Naher Osten, Afrika, Südasien). Die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und die Unterstützung separatistischer Kräfte in der Ostukraine würden einen Schwerpunkt der Auseinandersetzungen in einer allgemeinen Atmosphäre der sich verschärfenden Konfrontation zwischen Russland und dem Westen bildenbilden, wie SIPRI schon 2018 ausführte.

SIPRI stellte damals auch bereits fest: „Der internationale Transfer von Großwaffen hat zugenommen, und die weltweiten Militärausgaben haben sich auf einem hohen Niveau stabilisiert – über dem Niveau der letzten Jahre des Kalten Krieges. Auch die Zahl der Staaten, die Atomwaffen besitzen, hat zugenommen, obwohl die Zahl der stationierten Atomsprengköpfe weiter zurückgegangen ist. Die Maßnahmen, mit denen diese Verringerung erreicht wurde, sind jedoch bedroht.“

Szenario der Verschärfung von Konflikten setzt sich durch

Dem Wissenschaftlichen Beirat für Globale Umweltveränderungen (WBGU) Deutschland folgend, benannte Winiwarter vier mögliche Zukunftsszenarien, von denen wir Gefahr laufen, in das gefährlichste hineinzustolpern: Das Zusammenkommen einer konfrontativen Weltordnung sowie der Ausweitung von Machtpolitik mit einer turbulenten Weltwirtschaft sowie einer Verschärfung der Klimakrise. Vom Wunschszenario einer kooperativen „Global Governance“ mit Interessensausgleich, regelbasierter Zusammenarbeit in einer multipolaren Weltwordnung sowie einer klimaverträglichen Weltordnung und Weltwirtschaft seien wir weit entfernt (s. Grafik)

Winiwarter stellte die konfrontative Weltpolitik in den Kontext unseres ressourcenverschlingenden Wirtschaftens. Die heutige globale Gesellschaft sei die erste Konsumgesellschaft der Geschichte und sie werde die einzige bleiben. In ihr seien Teilhabe und Status über Güter organisiert. Sie basiere auf billiger und reichlich vorhandener Energie und sie sei auf globaler Ungleichheit aufgebaut: Erst billige Rohstoffe erlauben Massengüter. Diese Konsumgesellschaft sei enorm militarisiert: „Rüstungsausgaben sind ein wichtiger Teil des globalen Warenverkehrs. Die militärischen Güter sind besonders kurzlebig, und damit besonders profitabel für die Hersteller, wenn Krieg geführt wird.“ Jeder Krieg erhöhe auch die Anzahl der militärischen Güter und sei also doppelt gewinnbringend.

Militärisch-industrieller Komplex als Problemverschärfer

Mit dem vom ehemaligen US-Präsidenten Eisenhower 1961 geprägten Begriff des militärisch-industriellen Komplexes machte die Umwelthistorikerin die wirtschaftliche Macht dieses Sektors deutlich. Während bis herauf in die 1970er-Jahre der Großteil jener Unternehmen, die Rüstungsgüter produzierten, auch auf zivilen Märkten vertreten gewesen seien, habe sich der Rüstungssektor seither laut Erhebungen von CSIS verselbstständigt: „60 Prozent der am Rüstungsmarkt vertretenen Unternehmen produizieren heute ausschließlich Rüstungsgüter und sind daher stark von der Ausweitung dieses Sektors abhängig.“

Der Rüstungssektor verschlinge nicht nur Ressourcen, die für die Finanzierung öffentlicher Güter notwendig seien, sondern treibe auch die Erderhitzung voran, so Winiwarter mit Daten von SIPRI: „Selbst wenn man das beschleunigte Betriebstempo in Kriegszeiten beiseite lässt, ist das Verteidigungsministerium der USA mit einem Verbrauch von etwa 4,6 Billion Gallons Treibstoff pro Jahr der größte Einzelverbraucher des Landes.“

Was ist zu tun? – Globale Vereinbarungen sind zentral

Winiwarter zitierte Erebnisse des aktuellen Global Risk Report, der jährlich beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos vorgestellt wird. Demgemäß führen militärische Konflikte die Rangliste der von den Befragten erwarteten Risiken noch vor Extremwetterereignissen an – auch das Kippen von Ökosystemen liegt weit voran (siehe Grafik). Diese Einschätzung der globalen Risiken sei in allen Generationen ähnlich, es liege daher an der Politik, dagegen anzugehen. Abgefragt wurde auch, welche Ansätze zur Abwendung der Risiken als am wirksamsten eingeschätzt werden. An vorderster Stelle für eine Vielzahl der Risiken werden globale Vereinbarungen und Regularien genannt, so Winiwarter. Es sei daher Aufgabe der Politik, dies wahr- und ernstzunehmen und danach zu handeln

Dabei spielen die Ökosysteme eine zentrale Rolle für die menschliche Sicherheit, so Winiwarter weiter: „Ökosysteme und ihre Arten sind wichtige Faktoren für die Produktion zahlreiche Güter, wie z.B. Trinkwasser, Nahrungsmittel, Energieträger, Baumaterialien oder medizinische Wirkstoffe. Die genetischen Ressourcen sind unverzichtbar für die Entwicklung neuer Nutzpflanzen, Medikamente und industrieller Rohstoffe. Ökosysteme und ihre Arten sind wichtig für Bestäubung und Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft und bilden fruchtbaren Boden.“ Dazu kommen regulierende Leistungen: „Natürliche Lebensgemeinschaften in Ökosystemen speichern CO2, schützen vor Lawinen und Hochwasser, verhindern Erosion und regulieren das Klima.“ Ökosysteme würde aber auch kukturelle Leistungen erbringen, wie die Ermöglichung von Naturerfahrung und Erholung.

Kriege würden jedoch zur massiven Zerstörung der Ökosysteme beitragen: Durch direkten Konsum von Ressourcen wie Holz, Wasser und Nahrungsmitteln zum Unterhalt von Armeen, durch indirekten Konsum von Ressourcen durch Waffen-/Militärindustrie; durch direkte Umweltzerstörung bei Kampfhandlungen sowie die absichtliche Zerstörung von Natur/Umwelt als Teil der Kriegstaktik. Dazu käme die Umweltzerstörung durch militärische Forschung, etwa m Nuklearbereich.

Eine weitere von Winiwarter zitierte Studie zeigt, dass aufgrund der hohen Kohlenstoffintensität der militärischen Produktion selbst dann, wenn sich die Welt ansonsten auf Wege einigt, die mit dem Pariser Klimaschutzabkommen vereinbar sind, ein erheblicher Anstieg der Militärausgaben die Klimaziele unerreichbar machen könnte.

Strategien für einen weiterhin bewohnbaren Planeten

Abschließend zitierte Winiwarter fünf Empfehlungen aus dem 2025 erschienenen Bericht „The Security We Need“ der Vereinten Nationen:

1) Priorisierung von Diplomatie, friedliche Beilegung von Streitigkeiten und vertrauensbildenden Maßnahmen, um die Ursachen für die steigenden Militärausgaben bis 2030 anzugehen.
2) Militärausgaben in den Vordergrund der Abrüstungsdiskussionen rücken und die Verbindungen zwischen Rüstungskontrolle und Entwicklung verbessern.
3) Förderung von Transparenz und Rechenschaftspflicht im Bereich der Militärausgaben, um Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten aufzubauen und die nationale Haushaltsverantwortung zu stärken.
4) Neubelebung der multilateralen Entwicklungsfinanzierung.
5) Förderung eines menschenzentrierten Ansatzes für Sicherheit und nachhaltige Entwicklung.

Auf die Frage, was wir als Bürger und Bürgerinnen tun können, meinte Winiwarter, dass ein nachhaltiger Lebens- und Konsumstil im Sinne von „Walk your talk“ wichtig sei, aber nicht reiche. Wir müssten die Politik drängen, im Sinne des UN-Berichts zur internationalen Diplomatie und einem an Menschen sowie den Ökosystemen orientierten Sicherheitsbegriff zurückzukehren. Als konkrete Maßnahme schlug sie vor, die Tradition der Östermärsche wieder zu beleben im Sinne von „grünen Ostermärschen“.

Resümee

Der Vortrag machte deutlich, dass wir viel stärker über rationale Bedrohungsanalysen sowie Maßnahmen dagegen sprechen und diese in die öffentlichen Debatten bringen müssen. Putin hätte es in der Hand, den Krieg gegen die Ukraine sofort zu beenden. Doch mit militärischer Unterstützung der Ukraine allein wird das nicht gelingen, es braucht Diplomatie und – so schwer es fällt – es wird auch Kompromisse brauchen. Kriege haben viele Ursachen. Sie werden vom militärisch-industriellen Komplex nicht ausgelöst, aber wohl befeuert. In diesem Sinne sind die Schlussworte von Verena Winwarter zu verstehen: ABRÜSTUNG UND FRIEDEN SIND EINE VORAUSSETZUNG FÜR KLIMA- und BIODIVERSITÄTSSCHUTZ!

Großes Interesse am Vortrag der Umwelthistorikerin Verena Winiwarter auf Einladung des Arbeitskreises Klima & Nachhaltigkeit des Salzburger Bildungswerks

Umwelthistorikerin Verena Winiwarter mit Hans Holzinger vom Arbeitskreis „Klima & Nachhaltigkeit“ des Salzburger Bildungswerks