Wir brauchen weiteres Wirtschaftswachstum, um Österreichs Wirtschaftsstandort nicht zu gefährden, um unsere Sozialleistungen weiterhin finanzieren zu können, um die ökologische Transformation stemmen zu können, nicht zuletzt, um Verteilungskämpfe und eine Destabilisierung unserer Demokratie nicht zu gefährden. Dies sind gängige Argumente für weiteres Wirtschaftswachstum, die sinngemäß auch Richard Wiens in seinem Ausblick auf das kommende Jahr (SN 24.12.2025) formuliert. „Es wird ein anderes Wachstum sein müssen, nachhaltiger und klimaschonend“, so Wiens, sicher sei aber, „dass Stillstand keine Alternative ist“, das liege „auch nicht in der Natur des Menschen.“

Die Hauptgefahr einer längeren Rezession wird in einer Abwärtsspirale gesehen: Die Konsumzurückhaltung der Haushalte führt zu einer Investitionszurückhaltung der Unternehmen – beides mindert die Steuereinnahmen der Staaten. Die Spirale nach unten führt in die Krise. Wachstum sei daher im Kapitalismus notwendig, um das System zu erhalten, so die Argumentation. Seit Keynes wird mit staatlichen Anreizen und Investitionen versucht die Konjunktur wieder zu beleben, höhere Staatsverschuldung dabei in Kauf genommen.

Es gibt aber auch Argumente, die es klug erscheinen lassen, uns mit Wachstumsunabhängigkeit unserer in Summe sehr reichen Volkswirtschaften auseinanderzusetzen. Erstens: Unbegrenztes Wachstum ist in einer endlichen Welt rein physisch nicht möglich. Darauf hat der Club of Rome mit den „Grenzen des Wachstums“ schon vor 50 Jahren hingewiesen. Zweitens: Unsere Bedürfnisse sind – anders als dies in so manchem Wirtschaftslehrbuch steht – nicht unbegrenzt. Es gibt Marktsättigungen – bei Motorrädern (siehe KTM) ebenso wie bei Autos (die jungen Urbanen brauchen keines mehr) und anderen Gütern.

Drittens: Volkswirtschaften mit niedrigem Output sollen wachsen, bereits hochproduktive Volkswirtschaften kommen an Limits. Die Angaben des Wachstums in Prozent sind irreführend: Ein weiteres Prozent Wachstum bei einem bereits hohen erreichten Niveau sind absolut bedeutend mehr als bei einem niedrigen Ausgansniveau. Das gilt übrigens auch für Lohn- oder Pensionserhöhungen, weshalb Steigerungen um gleiche Fixbeiträge sinnvoller wären. Dass Österreich in der Wiederaufbauphase der 1950-Jahre Wachstumsraten um die fünf Prozent hatte, diese aber in den Folgejahrzehnten ständig zurückgegangen sind und sich zuletzt bei etwa einem Prozent eingependelt haben (abgesehen von den Einbrüchen durch die Finanzkrise 2008 und Corona 2022), ist nicht Ausdruck eines schlechteren Wirtschaftens, sondern der Prozentfalle geschuldet. Das führt nochmals zu Punkt ein: Exponentielles Wachstum ist auf Dauer unmöglich. Zwei Prozent Wachstum bedeuten eine Verdoppelung alle 35 Jahre.

Viertens: Verteilungskämpfe lassen sich vermeiden, wenn der Kuchen besser verteilt wird, was auch demokratiepolitisch – Stichwort Einflussnahme der Reichen auf die Politik – und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Menschen im unteren Einkommensbereich geben das zusätzliche Geld vor allem für Grundbedürfnisse aus, was die lokale Wirtschaft stärkt, jene in oberen Einkommensklassen eher für weitere Fernreisen oder Finanzspekulationen.

Fünftens: Die öffentlichen Leistungen wie eine gute Bildung, leistbares Wohnen, eine Gesundheitsversorgung ohne Zugangsbeschränkungen, Lebensmittel guter Qualität für alle sollen sichergestellt, ja  ausgebaut werden. Sie lassen sich aber auch finanzieren, wenn der Staat seine Steuerbasis verändert – Stichworte wären höhere Umwelt- und vermögensbezogene Steuern. Die Vermeidung von Negativkosten, etwa steigende Ausgaben im Gesundheitsbereich aufgrund von sogenannten Zivilisationskrankheiten, verursacht durch Fehlernährung, Vereinsamung, zu viel Stress und zu wenig Bewegung, hilft dem Staat ebenfalls sparen. Neben Doppelgleisigkeiten, falschen Anreizsystemen – Krankenanstalten werden bezahlt nach Eingriffen – und immer neuen medizinischen Geräten spielen fehlende Prävention hier ein wichtige Rolle.

Sechstens: Die ökologische Transformation wird umfangreiche Neuinvestitionen erfordern und sie schafft damit auch grüne Arbeitsplätze, wie etwa die EU-Kommission vorrechnet. Um die Klimaziele zu erreichen, werden aber auch Arbeitsplätze wegfallen, etwa in der Autoindustrie. Die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft, in der Güter länger genutzt und auch repariert werden, führt tendenziell ebenfalls zu einem Rückgang des Neu-Konsums. Die Erneuerbaren Energien inklusive der Speichermöglichkeiten werden immer besser – sie sind bereits kostengünstiger als die Fossilenergien. Die energieintensiven Branchen wie die Chemie-, Stahl- oder Zementindustrie oder auch der Flugverkehr werden jedoch auf den sehr teuren grünen Wasserstoff angewiesen sein – was tendenziell auch zu Schrumpfungen führen wird.

Zusammengefasst: Die Schrumpfung der Wirtschaft ist nicht das Ziel, wird aber die Folge sein, wenn wir ökologisch ernsthaft umsteuern. In allen Produkten stecken Rohstoffe und Energie – beides wird in einer sich rapide verändernden Welt knapper werden. Weitere Produktivitätssteigerungen  etwa durch Künstliche Intelligenz werden menschliche Arbeit noch stärker auf soziale Dienstleistungen konzentrieren, u.a. dem demographischen Wandel geschuldet. Neue Arbeitszeitmodelle, die eine Balance von Erwerbsarbeit und Familie ermöglichen, können weiter an Bedeutung gewinnen.

 Eine stete Wirtschaft bedeutet nicht Stillstand, doch der Fortschritt erhält eine andere Richtung. Die Anpassung an fragile Ökosysteme sowie deren Regeneration wird das Streben nach Immer-Mehr ersetzen. Das Zurückdrehen des privaten Konsums führt zu keinen Wohlstandsverlusten, wenn wir dafür gute öffentliche Leistungen erhalten und wir unseren Beitrag zum Erhalt der Lebensgrundlagen leisten. Das magische Viereck der Wirtschaftspolitik besteht aus Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, einer ausgeglichenen Handelsbilanz sowie eben Wachstum. Letzteres ist zu überdenken und zu ergänzen durch neue Parameter wie eine tragfähige Einkommens- und Vermögensverteilung, eine intakte Natur, die Förderung von Lebenschancen und Lebensqualität. Das Bruttoinlandsprodukt bleibt weiterhin eine Steuerungsgröße für Unternehmen und Staaten, misst aber nicht unseren Wohlstand. Es sagt nichts aus über die Verteilung aus , alle ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie die Sorgearbeit werden nicht erfasst, die Behebung von Schäden etwa nach Hochwassern erhöhen aber das BIP. Seit vielen Jahren werden ergänzende Indikatoren vorgeschlagen, wie etwa die Stiglitz-Fitoussi-Kommission des ehemaligen französischen Präsidenten Sarkozy herausgearbeitet hat. Für Salzburg wertvolle Hinweise gibt eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer zu „Wohlstand und Lebensqualität“. Weiterführende Überlegungen gibt es in meinem Buch „Wirtschaftswende“.