Die Politik hat im Moment keinen guten Ruf. Überbezahlte, vor allem an ihrem Machterhalt interessierte Politiker:innen kümmern sich kaum um die Sorgen der Bürger:innen und sind unfähig, gesellschaftliche Probleme zu lösen – so denken immer mehr Menschen. Politikverdrossenheit und Politikablehnung sind die Folge. Das ist gefährlich für eine Demokratie, die vom aktiven Engagement informierter Menschen lebt. Was ist Politik? In welchem Zustand befindet sich unsere Demokratie? Was leistet sie, wo versagt sie? Welche Anforderungen stellt sie an uns? Wie kann sie verbessert werden? Diesen Fragen stellte sich das Bildungswerk Seekirchen in einer Veranstaltung am 24. April 2025 im Stadtamt Seekirchen.

Dr. Franz Fallend, Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg, referierte in seinem Vortrag Befunde zum Stand der Demokratie in Österrech sowie weltweit und er gab Empfehlungen, wie diese erneuert werden könne. Der Anteil der Menschen in Österreich, die das Imgae der Politik negativ bewerten, hat sich laut einer Umfrage aus 2022 in den letzten vierzig Jahren beinahe verdoppelt. Laut Demokratiemonitor hätten 2024 nur 43 Prozent der Menschen angeben, dass die Demokratie in Österreich gut oder sehr gut funktioniere, das sei zwar ein geringer Anstieg gegenüber dem Vorjahr, aber dennoch bedenklich, so der Politikwissenschaftler (siehe Grafiken).

International sei der Anteil der liberalen Demokratien zuletzt etwas gesunken. Besonders beängstigend sei der Zustand der Demokratie in den USA, wo die Spaltung der Gesellschaft weit fortgeschritten sei, so Fallend. Es gäbe in dem Land ein starkes Lagerdenken, etwa in Bezug auf den privaten Schusswaffenbesitz oder das Recht auf Abtreibung.

Die Stärken der Demokratie

Als Stärken der Demokratie nannte der Politikwissenschaftler u. a. die Lernfähigkeit und Fehlerkorrekturfähigkeit, die effektive Wahl und Abwahl von Herrscher:innen ohne
Blutvergießen sowie den Herrschaftsauftrag auf Zeit mit Machtwechselchancen. Zudem seien Demokratien offen für Geminwohlbelange und sie böten die Chance, die politische Opposition „systemzuträglich einzubinden“. Mögliche Schwächen der Demokratie seien u. a. der „Zielkonflikt zwischen Gleichheit und Freiheit“, die Neigung zur „Tyrannei der Mehrheit“ sowie die begrenzten Wahlperioden, denen bei gewissen Fragen langfristige Herausforderungen gegenüberstehen – etwa in Bezug auf die Klimakrise oder demografische Veränderungen. Zudem steige die Zahl der Nichtwähler:innen sowie jene der „unzufriedenen Demokrat:innen“. Ein Problem könne auch die Haltlosigkeit und Wankelmütigkeit des „demokratischen Menschen“ und des Staates sowie ein „mittelmäßiges Führungspersonal“ sein.

Verweigerung des Dialogs gefährdet die Demokratie

Gefährdet sei die Demokratie, „wenn nur mehr die eigene Meinung zählt, Diskussion und Kompromiss abgelehnt werden und wenn der gegenseitige Respekt und der Glaube an die Vernunft, auch die der anderen, verloren gehen“. Eine große Gefahr bestehe dann, wenn diejenigen, die die vermeintliche „Wahrheit“ nicht glauben wollen, zu legitimen, zu bekämpfenden Zielen erklärt werden.

Österreichs Demokratie sei stabil, aber nicht unumstritten, so Fallend laut Umfragen: In einer Gallup-Umfrage aus 2024 haben immerhin 46 Prozent angegeben, dass die Demokratie in Österreich gefährdet sei – davon 33 Prozent mit „eher ja“ und 13 Prozent mit „ja, auf jeden Fall“. Als größte Bedrohungen wurden Korruption (62 Prozent), gefolgt von „Unkontrollierte Einwandrung“ und „Politischer Extremismus“ (jeweils 45 Prozent) angeführt. Die „Kluft zwsichen Arm und Reich“ (43 Prozent) und „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ (40 Prozent) wurden ebenfalls als Probleme genannt. Aufschlußreich ist auch die Einschätzung der Entwicklung Österreichs – hier gibt es starke Unterscheide bei den Wähler:innen nach Parteien. Auf die Frage, ob sich seit der letzten Nationalratswahl 2019 Österreich „eher negativ“ entwickelte habe, antworteten 84 Prozent der FPÖ-Wähler:innen mit „Ja“, 63 Prozent der NEOs- und 61 Prozent der SPÖ-Wähler:innen mit „Ja“, bei den Grünen waren es nur 40 Prozent, bei der ÖVP nur 30 Prozent, was freilich auch damit zusammenhängt, dass diese beiden Parteien die Regierungsverantworttung innehatten (siehe Grafiken).

Was tun für mehr Demokratiebewusstsein und Zustimmung zur Politik?

Zur Frage, was wir für die Demokratie tun können, zitierte der Politikwissenschaftler einige Aussagen anderer: Der Medienwissenschafter Bernhard Pörksen fordert ein Schulfach Medienerziehung, die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle plädiert dafür, sich nicht nur in seinen Social Media-Kanälen zu informiern, sondern Zeitungen zu lesen. Zudem müssten die politischen Eliten wieder mehr ihre Vorbildwirkung erkennen, die Wähler:innen sollten unerwünschten Spaltungsversuchen den Applaus und die Zustimmung verweigern. Die Philosophin Isolde Charim plädiert für die Abkehr von der „Ego-Gesellschaft“ („Wir bräuchten eine Gesellschaft, wo man einfach weniger Ich sein kann“) und der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube fordert „Selbstbeschränkung“ im Namen der Vernunft („Sollte ich wirklich heftigste Ansichten entwickeln über Dinge, Länder, Menschen, die ich gar nicht oder nur leidlich kenne?“) Fallend selbst empfahl ebenfalls, sich differenziert zu informieren, die Institutionen der Demokratie und des Rechtsstaates zu verteidigen und von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. In der Diskussion wurden zudem die Chancen und Grenzen von Direkter Demokratie sowie von Bürger:innen-Räten angesprochen.

Die Veranstaltung war Teil des SBW-Schwerpunktes „Mitdenken – Mitreden – Mitgestalten“.