Wir alle konsumieren täglich Nachrichten. In der Tageszeitung, im Radio, via Teletext, per „Zeit im Bild“ oder „Servus am Abend“, aber auch auf Facebook, Instagram oder Twitter. Doch wie kommt es eigentlich zu diesen Nachrichten? Wer bestimmt, was publiziert wird? Haben Behörden, Parteien, Millionäre oder Unternehmen die Möglichkeit, einzugreifen? Und wie können die Leser:innen auf die Berichterstattung einwirken? In einem kurzweiligen, von der journalistischen Praxis geprägten Vortrag erläuterte Ralf Hillebrand, Leiter des Ressorts Wissenschaft, Medien, Technologie und Gesundheit der Salzburger Nachrichten, ob Journalist:innen beeinflussbar sind. Dazu veranschaulichte er die Abläufe in der Redaktion und gab einen Überblick über Österreichs Medienlandschaft. Kritische Fragen waren ausdrücklich erwünscht.

Großes Interesse am Vortrag – Vertrauen in die Medien sinkt bedingt

Das Interesse am Vortrag unter dem Motto „Mythos Lügenpresse“ war groß. An die 40 Interessierte waren auf Einladung des Salzburger Bildungswerks in den Veranstaltungssaal der neuen Stadtbibliothek Seekirchen gekommen. Das ist verständlich, denn die Medienlandschaft und das Mediennutzerverhalten sind im starken Umbruch. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die Medien nach wie gegeben ist, aber es nimmt ab. In einer aktuellen Studie zu Österreich stimmten nur mehr 42 Prozent der Teilnehmer:innen voll oder eher zu, den meisten Medien in Österreich zu vertrauen. Allerdings sorgen sich rund zwei Drittel um den professionellen Journalismus angesichts gekürzter Budgets, sinkenden Abozahlen, dem Abbau von Arbeitsplätzen und Druck auf professionelle Journalist:innen. Eine andere Umfrage hat ergeben, dass drei Viertel der Befragten den Konsum von Nachrichten immer öfter bewusst meiden, weil sie die vielen Krisenberichte nicht mehr hören wollen. Und wie steht es um die Glaubwürdigkeit des Journalismus? Hillebrand zitierte eine IFES-Umfrage aus 2021, dergemäß 52 Prozent der Befragten meinten, Journalisten und Journalistinnen seien käuflich.

Boulevard-Journalismus arbeitet mit Angst als Aufmerksamkeitserreger

Kurz zum Begriff „Lügenpresse“: Dieser geht auf das 19. Jahrhundert zurück und wurde insbesondere von den Nationalsozialisten verwendet. Der heute gebrauchte Terminus „Fake News“ meint Ähnliches, zu Bekanntheit kam dieser durch US-Präsident Trump. In beiden Fällen gehe es darum, die eigene Politik kritisierende Medien als Propaganda und Lüge abzutun, so Hillebrand, der sich dann dem Boulevard-Journalismus zuwandte.

Die Erzeugung von Angst sei ein wichtiges Mittel, um Aufmerksamkeit zu erregen, so Hillebrand. Wenn in der Schlagzeile von einer Gefahr berichtet wird, möchte man wissen, ob es auch einen selbst treffen könnte und was dagegen zu tun sei. Boulevardmedien würden daher stark mit Negativschlagzeilen arbeiten. Zudem gäbe es im Boulevard nachweislich die meisten Verstöße gegen die Kriterien des österreichischen Presserat. Auch die Medienkonzentration sei in unserem Land einzigartig hoch, so Hillebrand, der auch an Universitäten, Fachhochschulen und an der österreichischen Medienakademie lehrt. Während es in Schweden noch immer 160 und in der Schweiz immerhin 80 Tageszeitungen gäbe, komme Österreich nur mehr auf 13. Pro Kopf gerechnet sei die „Kronenzeitung“ die weltweit auflagenstärkste Tageszeitung in Demokratien. „Heute“ und „Krone“, die seitens der Eigentümerverhältnisse Verquickungen aufweisen, würden die Medienlandschaft in Österreich stark dominieren. Als Problem benannte Hillebrand auch die zunehmende Abhängigkeit der Politik von den Boulevard-Medien, wie der Skandal um gefälschte Umfragewerte für Politiker durch die Gratiszeitung „Österreich“ des Medienakteurs Wolfgang Fellner gezeigt habe. Dafür gäbe es mittlerweile den Fachbegriff „Fellnerismus“. Hinweis: Hierfür lohnt sich, auch eine Recherche von Dossier zu lesen.

Plädoyer für mehr Qualitätsjournalismus und eine aktive Leserschaft

Auch in Qualitätsmedien gäbe es Irrtümer, doch diese würden nicht absichtlich verbreitet, sondern seien Fehler im journalistischen Alltag, etwa verursacht durch zunehmenden Zeitdruck. Hillebrand brachte auch dazu anschauliche Beispiele. Bevor Beiträge veröffentlicht werden, würden diese jedoch eine lange Kette der Bearbeitung durchlaufen – von der Vorstellung des Themas in der Redaktionssitzung über die Recherche zum Beitrag bis hin zum Lektorat, wodurch Fehler minimiert würden. Wie werden Themen ausgewählt? Hillebrandt erklärte dies mit der 3-N-Formel: „Nähe – Nutzen – Neuigkeit“. Ein Artikel gewinne an Aufmerksamkeit, wenn er geografische Nähe aufweise, den Lesenden einen persönlichen Informationswert und Nutzen verspreche und wenn er Neues, also noch nicht Berichtetes, vermittle.

Soziale Mdeien und Internet-Nutzung verändern auch das Leserverhalten

Die rapide gestiegene Nutzung von Social Media sauge nicht nur Lebenszeit auf, sondern auch Mediennutzungszeit. Printmedien müssten darauf reagieren, so Hillebrand, dies geschehe etwa mit einem „User-Needs-Modell“, in dem die Bedürfnisse der Lesenden reflektiert werden. Ein Weg sei, Kurznachrichten verstärkt nur mehr online zu bringen, in Printausgaben dafür mehr Hintergrundberichte. Möglicherweise würden langfristig, so eine Prognose des Journalisten, nur mehr Wochenzeitungen überleben, die gründlichere Recherchen und Beiträge ermöglichen würden.

Hillebrand begrüßte die geplante Reform der österreichischen Presseförderung, die erneut stärker den Qualitätsjournalismus fördern soll. Er plädierte dafür, Qualitätsmedien zu nutzen, diese mit Abos auch finanziell zu unterstützen, sich mit Themen und Anliegen an Redaktionen zu wenden und zugleich die Möglichkeit zu ergreifen, sich mit Leserbriefen einzubringen. In der anregenden Diskussion, die dem Vortrag folgte, wurde auch die Frage von mehr positiven Nachrichten, also „Good News“, angesprochen. Hillebrand stimmt zum einen zu, plädierte aber für „konstruktiven Journalismus“, der Krisen und Negativereignisse mit erklärenden und positiven Ausblicken verbinde.

Resümee: Der Vortrag war informativ, anschaulich und auch kurzweilig aufgrund der vielen gebrachten Beispiele. Medien und ihre Nutzung sind von großer demokratiepolitischer Bedeutung – dies machte die Veranstaltung im Medienschwerpunkt des Salzburger Bildungswerks einmal mehr deutlich. Besten Dank an die Stadtbibliothek Seekirchen und die Leiterin Daniela Lukits für die Kooperation und Gastgeberschaft.

Auf großes Interesse stieß auch die Aktion „Offline-Momente zum Verschenkendes Salzburger Bildungswerks, die zu einem bewussten Umgang mit dem Internet anregt. Die ansprechend gestalteten Postkarten, mit denen man jemanden etwa zu einer „Offline-Fahrradtour“, einem „Offline-Frühstück“ oder einer „Offline-Bildungsveranstaltung“ einladen kann, waren rasch vergriffen.

Bericht: Hans Holzinger, Fotos: Luisa Grabenschweiger, Hans Holzinger, Daniela Lukits