Die derzeitige Klimapolitik birgt ein hohes Risiko für das Kippen kritischer Elemente des Erdsystems, selbst wenn die globale Erwärmung nach einer Zeit der Überschreitung wieder auf unter 1,5 °C beschränkt wird. Eine neue Studie in der Fachzeitschrift Nature Communications zeigt: Dieses Risiko kann minimiert werden, wenn die Erwärmung rasch wieder umgekehrt wird. Dafür sei die Verringerung der Emissionen im laufenden Jahrzehnt ganz entscheidend, schreiben Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) und anderer Institute. Im Zentrum ihrer Studie stehen vier miteinander verbundene zentrale Klima-Kippelemente: Der grönländische Eisschild, der westantarktische Eisschild, die atlantische meridionale Umwälzzirkulation (AMOC) und der Regenwald im Amazonas. 

Insbesondere rechtsextreme Parteien sind von einem wissenschaftsbasierten Diskurs sehr weit entfernt – sie leugnen noch immer die menschengemachte Klimakrise. Zudem lässt sich die Klimakrise nicht mit populistischen Parolen abwenden, etwa durch das weitere Setzen auf Verbrennungsmotoren, nur weil Österreich ein „Autoland“ sei (Nehammer). Es braucht den Einsatz von Sachverstand und vorausschauendem Denken, denn die kommenden Jahre sind eine entscheidende Zeit für die Klimawende in Österreich. Das immer wieder gebrachte Argument, dass das kleine Österreich das Klima ohnedies nicht retten könne, stimmt nur bedingt. Ja ein Land allein, noch dazu ein kleines, wird die Klimakrise nicht abwenden – alle müssen mittun. Österreich als Teil EU und die USA haben historisch den größten Anteil an Treibhausgasen emittiert, somit sind sie nach dem Verursacherprinzip auch die ersten die abbauen müssen. Schwellen- und Entwicklungsländer werden nur mitziehen, wenn die historischen Hauptverursacher ihre Hausaufgaben machen. Zudem haben wir durch den hohen Pro-Kopf Ausstoß auch riesiges Reduktionspotential. Nicht zuletzt muss auch Österreich als Teil der internationalen Gemeinschaft seine eingegangenen Verpflichtungen erfüllen – die EU fordert Klimaneutralität bis 2050, 90 Prozent Reduktion sind bis 2040 vorgesehen. Österreich hat sich Ziel Klimaneutralität bis 2040 als Ziel gesetzt – noch sind wir weit davon entfernt.

Strukturwandel statt krampfhaftem Wachstum

Eine wirksame Klimapolitik lässt sich nicht trennen von einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik, vor allem einer Abkehr von dem Glauben, ein immerwährendes Wirtschaftswachstum sei möglich. Wenn der Kuchen nicht mehr wachsen kann, muss er besser, gerechter verteilt werden. Neben dem Eingeständnis, dass es Branchen gibt, die schrumpfen müssen. Die aktuelle „Krise“ der Autoindustrie mit den sinkenden Absatzzahlen ist ein Hinweis auf diesen notwendigen Strukturwandel. Ja, hier wird es auch Arbeitsplätze kosten. Aber wirtschaftlichen Strukturwandel hat es immer gegeben. Sozialprogramme, Umschulungen, Neuqualifizierungen sind an der Tagesordnung. Denn in anderen Branchen, etwa im Bereich „Green Jobs“ brauchen wir mehr qualifizierte Beschäftigte. Und mit einer fairen Verteilung des Erwirtschafteten lässt sich auch Weniger-Erwerbsarbeiten ermöglichen – dann gewinnen wir Zeit für alle anderen, ebenso wichtigen Tätigkeiten, im Care-Bereich, im zivilgesellschaftlichen Engagement. Und wir müssen erkennen, dass das Wirtschaftswachstum wie es aktuell bemessen wird sehr ungleich verteilt ist. Laut dem britischen Wirtschaftsanthropologen Jason Hickel („Weniger ist mehr“) geht fast ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung an das reichste Prozent der Weltbevölkerung. Ein Viertel der Arbeit, der verbrauchten Ressourcen, der verbrauchten Energie geht drauf, um die Taschen der Reichsten weiter zu füllen. Fast die Hälfte des globalen Wirtschaftswachstums in den letzten Jahren ging an die reichsten fünf Prozent, so Hickel.

Klimagerechtigkeit als Bedingung für Transformation

Es ist bekannt – die Folgen der Klimakrise treffen vor allem jene, die sie am wenigsten verursachen. Und wie stark wir die Folgen der Klimaerwärmung zu spüren bekommen, wird nicht nur eine Frage der geografischen Lage sein, sondern auch der sozialen. Arbeitsplatz und Einkommen spielen eine Rolle. Die Ärmsten leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels. Sie können in der Regel ihre Wohnsituation am schwierigsten an die steigenden Temperaturen anpassen. Sie verfügen über kein Haus im Grünen, häufig nicht einmal über einen Balkon, geschweige denn einen Garten. Klimawandelanpassung muss auch hier ansetzen – bei der Begrünung unserer Städte.

Eine Überwindung der sich immer weiter auftuenden Vermögens- und Einkommensspreizung ist unabdingbar – aus Gründen der Gerechtigkeit, aus demokratiepolitischen wie volkswirtschaftlichen Gründen, aber auch aus ökologischen. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung stoßen 36 bis 45 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus, das reichste ein Prozent ist für die Hälfte aller Flugemissionen verantwortlich (IPCC), bis 2030 möglicherweise für 16 Prozent der Gesamtemissionen (Oxfam) u.a. durch Superjachten und Weltraumflüge. Milliardäre wie Richard Branson und Jeff Bezos verursachen mit einem Flug ins All so viele Treibhausgas-Emissionen wie ein Mensch der ärmsten Milliarde in seinem ganzen Leben. Wir können uns die Reichen auch aus klimapolitischen Überlegungen nicht mehr leisten. Privatflüge starten auch hier in Salzburg massenweise, was neben Globalen Emissionen auch lokale Luft- und Lärmverschmutzung erzeugt.

Stephanie Pack-Homolka, verantwortlich für die Klimaseite der Salzburger Nachrichten, bringt es in einer der letzten Ausgaben auf den Punkt: „Klimagerechtigkeit heißt, dass alle die Möglichkeit haben sollen, klimabewusst zu leben. Klimagerechtigkeit wird in Zukunft aber auch heißen, dass jeder die Möglichkeit haben muss, trotz der Folgen des Klimawandels so leben zu können, dass die Hitze einen nicht umbringt – im wahrsten Sinne.“

Klimapolitik und eine faire Wirtschafts- und Sozialpolitik gehören zusammen. Daher sind wir heute hier zusammengekommen – Danke an alle, die an der Organisation dieser Demonstration mitgewirkt und diese ermöglicht haben.

Die Scientists for Future unterstützen die Fridays for Future mit wissenschaftlicher Analyse, sie analysieren Parteiprogramme und nehmen zu klimapolitischen Themen Stellung – in Salzburg zuletzt etwa zur Wiederaufnahme eines Kurzstreckenflugs nach Wien – ein Schritt in die völlig verkehrte Richtung! Wer in der Forschung oder Lehre tätig ist, kann sich uns gerne anschließen. Auf der Homepage kann man sich unter „Mitmachen“ in den Verteiler eintragen. Unser nächster Jour Fixe findet am 14. Oktober ab 11 Uhr in der Mensa der NAWI statt.

Jens Blechert (Sprecher)
Hans Holzinger (Koordinator)

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