Die Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ist ein zukunftsorientiertes Wirtschaftsmodell, das sich auf die Werte Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit, Mitentscheidung und Transparenz stützt. Die GWÖ-Initiative wurde 2010 in Österreich gegründet und umfasst weltweit rund 5.000 Mitglieder in über 170 Regionalgruppen, sowie über 1.300 bilanzierte Unternehmen, Organisationen und Kommunen. Das zentrale Instrument der GWÖ ist die Gemeinwohl-Bilanz, die Unternehmen ermöglicht, ihren Beitrag zum Gemeinwohl systematisch zu erfassen und vergleichbar zu machen.
An die 50 Unternehmerinnen und Unternehmer der Gemeinwohlökonomie vernetzten sich beim 360° GOOD ECONOMY FORUM 2024, das am 21. und 22. Oktober in St. Virgil Salzburg stattgefunden hat. Die Veranstaltung bot eine Plattform für die intensive Auseinandersetzung mit Themen wie verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung, innovative Führungsinstrumente und strategische Nachhaltigkeitskonzepte. „360°“ bedeutet, Unternehmen ganzheitlich auszurichten – etwa an den Kriterien der Gemeinwohlbilanz. „Das 360° FORUM ermöglicht einen 360°-Blick zur Selbstreflexion und zum Austausch mit gleichgesinnten Unternehmen“, so Sabine Lehner, Leiterin und Moderatorin der Veranstaltung. Neben den zahlreichen Austauschmöglichkeiten gab es inspirierende Vorträge, Sessions und Workshops, in denen einzelne Aspekte des Gemeinwohls und der strategischen Nachhaltigkeit behandelt wurden.Höhepunkt des ersten Tages war – wie in den letzten Foren auch – die Auszeichnung vorbildhafter Unternehmen mit dem 360° GOOD ECONOMY AWARD.

Ali Mahlodji: Neue Führungskultur – vom Vorgesetzten zum Mentor
Eine Unternehmens- und Menschenführung, die gute Beziehungen ermöglicht, Selbstwirksamkeit und Neugierde fördert sowie Sinn vermittelt, nannte Ali Mahlodji, Keyspeaker des ersten Tages, als zentrale Ziele. In seinem Vortrag „Leadership next Generation“ betonte der Pädagoge, Coach und Erfolgsautor die Bedeutung von Resilienz, Anpassungsfähigkeit, Lernlust und Kreativität in einer unsicherer werdenden Welt. Man könne dies von kleinen Kindern lernen und die Schulen seien angehalten, die Lehrpläne danach auszurichten. Mahlodji berichtete, dass er die Hälfte seiner Zeit mit Kindern arbeite, um sich von diesen inspirieren zu lassen. Wichtig sei, sich von vorschnellen Urteilen und Denkschablonen zu verabschieden; dazu gehöre insbesondere, in allen Menschen ihr Potenzial zu sehen und zu fördern. „Es kann so nicht weitergehen“, dies sei den meisten Unternehmensführungen bewusst, doch falle es diesen schwer, neue Wege zu finden. Noch immer stünden das Rennen um die Wette und die Konkurrenz mit der Karotte vor der Nase im Mittelpunkt. Doch Komplexität erfordere neue Antworten. In einem „Zeitalter der Selbstverantwortung“ werde der Vorgesetzte zum Mentor: „Erfolgreiche Teams haben ein gemeinsames Ziel, wollen, dass alle anderen entlang der Wertschöpfungskette auch Erfolg haben und sie helfen sich gegenseitig, damit alle besser werden.“

Unternehmen müssten auch hinsichtlich Arbeitszeiten neue Wege gehen, so Mahlodji: „Lebenszeit ist die neue Währung“. Zukunftsweisend seien die Umsetzung einer Freizeit-statt-Geld-Option, bezahlte Papawochen, geteilte Führung sowie eine 6. Urlaubswoche und die Abkehr von All-inclusive-Verträgen sowie Überstundenpauschalen – Ansätze, die in immer mehr Unternehmen Fuß fassen würden. Auch die Human Ressources-Abteilungen müssten umlernen: „Unternehmen transformieren sich vom Job-Verteiler zum Lebensabschnittsbegleiter, bei dem ich das lerne, was mir die Schule und das echte Leben bisher nicht beigebracht haben.“ Die Rolle von Unternehmen sei „Menschenentwicklung“. Die Digitalisierung sei eine Chance, erfordere aber die Konzentration auf die nicht automatisierbaren Aufgaben wie Empathie und Kreativität, kritisches Denken, emotionale Kompetenz, Zuhören & Reflektieren sowie vernetztes Denken und Lösungsfähigkeit.
Der Nachmittag bot vier spannende Kurzinputs, die in der Folge in Parallelworkshops vertieft wurden.

Isabelle Klien: Sechs psychische Ressourcen für die persönliche Transformation
Isabelle Klien, Organisationsentwicklerin bei Humanistic Transformations, schloss in ihrem Input „Äußerer Wandel braucht inneres Wachstum“ gut an Mahlodji an. In Anlehnung an den Nachhaltigkeitspsychologen Marcel Hunecke beschrieb sie sechs Ressourcen, die das persönliche Wohlbefinden steigern und gleichzeitig eine suffiziente Lebens- und Wirtschaftsweise fördern. Genussfähigkeit bedeute, sich an den Dingen und der Welt zu erfreuen ohne permanente Steigerung („Weniger ist mehr“). Dazu passt die zweite Ressource Achtsamkeit „als Fähigkeit, meine Aufmerksamkeit auf den jetzigen Moment zu richten ohne zu bewerten“. Dies ermögliche, materialistische Ansprüche zu reduzieren und sozial und nachhaltiger zu leben. Als Ressourcen 3 und 4 gelten Selbstakzeptanz und Selbstwirksamkeit, das heißt, sich mit seinen Stärken und Schwächen anzunehmen und sich zuzutrauen, die eigenen Ziele zu erreichen. Für die Gemeinwohlökonomie bedeute dies, mit seinem Tun „einen kleinen Beitrag zur Veränderung leisten zu können.“ Sinnkonstruktion und Solidarität sind die weiteren Ressourcen. „Mit sinnvollem Wirtschaften leisten wir einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit“, so Klien. Und die großen Themen wie die Klimakrise oder die Ungleichheit könnten nur gemeinsam angegangen werden, was Solidarität brauche. Die sechs Ressourcen verstärken sich gegenseitig und erzeugen eine in Gang gesetzte Aufwärtsspirale, dem alten Narrativ, dass Nachhaltigkeit nur mit Verzicht erreicht werden könne, folge das neue Narrativ von Freude und Wohlergehen durch ein nachhaltiges Verhalten, betonte die Unternehmensberaterin, die auch GWÖ-Unternehmen betreut. Als Nutzen für Unternehmen nannte sie die Transformation von innen heraus durch zufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Armin Schmelzle: Lösungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Klein- und Mittelbetriebe
Die Vorgaben zur Nachhaltigkeutsberichterstattung der EU treffen auch kleinere und mittlere Unternehmen, auch wenn sie für diese (noch) nicht verpflichtend sind. Denn größere oder zur Berichtserstattung verpflichtete Unternehmen werden von ihren Zuliefer-Unternehmen entsprechende Unterlagen einfordern. Armin Schmelzle, GWÖ-Bertaer und -Auditor, berichtete davon, was auch auf kleinere und mittlere Unternehmen durch CSRD Corporate Sustainability Reporting Directive) und ESRS (European Sustainability Reporting Standards) auf KMUs zukommen werde und dass seitens der GWÖ an digitalen Tools gearbeitet wird, die die GWÖ-Bilanz in die neuen EU-Vorgaben integrieren lässt. Somit soll Mehrarbeit für GWÖ-Unternehmen vermieden, sondern Mehrwert geschaffen werden. Die neuen Tools sollen im Laufe des Jahres 2025 zur Verfügung stehen. Zugleich werde an einer GWÖ-Bilanz 6.0 gearbeitet. Für neue Bilanzierer empfahl Schmelzle das aktualisierte Tool, für jene, die ihre Bilanz erneuern, könne auch das bestehende Tool aufgrund der Vergleichbarkeit Sinn machen, erläuterte Schmelzle im anschließenden Workshop. Ende 2024 soll mit der Matrix 5.1. eine Zwischenstufe kommen.

Olga Kostoula: Interkulturelle Kommunikation als Chance, Hürde und Notwendigkeit
Eine gute, verständliche und klare Kommunikation ist generell eine Aufgabe, die einmal besser, einmal weniger gut funktioniert. Wenn dann noch unterschiedliche kulturelle Erfahrungen dazukommen, kann es leicht zu Irritationen kommen, die eine Zusammenarbeit erschweren können. Olga Kostoula, Arbeits- und Organisationspsychologin, berichtete in ihrem Input und Workshop von solchen Fallen aufgrund mangelnden Wissens über kulturelle Unterschiede. So gäbe es unterschiedliche Vorstellungen über Arbeitsstile, selbstständiges Arbeiten sei nicht überall gleich verbreitet. In eher kollektivistisch orientierten Kulturen ziehen Mitarbeitende bei Entscheidungen viel stärker als in individualistischen Kulturen auch die Familie mit ein. Auch am Schreibstil könne man kulturelle Unterschiede ablesen. Während in asiatischen Ländern E-Mails häufig sehr höflich und in langen Umschreibungen formuliert werden („High Text Communication“), herrsche bei uns eher ein knapper Stil vor, um einem selbst und dem Gegenüber Zeit zu sparen („Lox Context Communication“). Eine ziel- und sachorientierte Kommunikation sei bei uns normal, in anderen Kulturen werde aber auch höflich ausgewichen.
Körpersprache und physische Distanz können variieren und zu Mißverständnissen führen. Unterschiede könne es auch in den Denkstilen geben: situatives Denken sei stark assoziativ geprägt, formales Denken regelbasiert. Kostoulas Resümee: Diversity werde zwar als Unternehmensziel vielfach gehypt, aber es gäbe auch Probleme. So bilden sich in vielen Unternehmen Gruppen nach Sprachzugehörigkeit, andererseits gelte in vielen Unternehmen Business-Engilsh mittlerweile als Standard. Und man müsse auch vorsichtig sein im Zusammenhang mit Stereotypisierung und Kulturalisierung. Doch auch wenn sich eine Art Global Culture herausbildet, mache es Sinn, sich Wissen über andere Kulturen anzueignen, unterschiedliche Lebenswelten zu reflektieren und über Unterschiede zu sprechen.

Harald Thurner: Nachhaltigkeit im Rahmen von Unternehmensnachfolgen
Wie können Nachhaltigkeitsziele und Errungenschaften für ein gemeinwohlorientiertes Wirtschaften in die nächste Generation sowie an neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen übergeben werden? Diese Frage stellt sich für jedes Unternehmen. Der Unternehmensberater Harald Thurner stellte sechs wesentliche Kriterien dafür vor: 1) Verankerung der Nachhaltigkeit im Unternehmenszweck, in der Unternehmensstrategie sowie in allen Prozessen. 2) Formulierung konkreter Ziele, deren Erreichung auch gemessen wird. 3) Sicherstellung einer externen Zertifizierung. 4)Transparenz im Unternehmen sicherstellen. 5) Die Verantwortung für Nachhaltigkeit in allen Funktionen und Hierarchieebenen festlegen. 6) Ernsthafte Einbeziehung der Stakeholder und Durchführung erleb/erkennbarer Reflexionsprozesse. „Neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bedeuten immer eine neue Teilgründung des Unternehmens“, so Thurner. Notwendig sei eine nachhaltige Haltung, die zu einem nachhaltigen Verhalten führe. Für die Umsetzung brauche es die Wahl eines passenden Nachhaltigkeitsstandards, die Konzentration auf die für das Unternehmen wesentlichen Handlungsfelder, die Integration der Ziele in das Tages-Geschäft sowie die Steuerung der Entwicklung und deren Dokumentation. Den Nutzen von Nachhaltigkeitsprozessen für Unternehmen bezifferte Thurner darin, sich den Sinn und Zweck des Unternehmens bewusst zu machen, auf neue Trends und Entwicklungen zu reagieren und gegebenenfalls neue Geschäftsfelder und Kunden zu lukrieren.

Am Abend wurden die 360° GOOD ECONOMY AWARDS an besonders erfolgreiche Unternehmen in fünf Kategorien vergeben: Kategorie Lieferant*innen | Ernst Gugler; Kategorie Finanzpartner*innen | Raiffeisenbank Lech am Arlber; Kategorie Mitarbeitende | Stadthotel Henriette, Wien; Kategorie Kund*innen & Mitunternehmen | Trumer Privatbrauerei; Kategorie Gesellschaftliches Umfeld | OeAD student housing. [Kurzportäts siehe Kasten] Danach blieb noch genügend Zeit fürs Feiern und weitere Vernetzen.
Die 360° GOOD ECONOMY AWARD-Preisträger 2024
Kategorie Lieferant*innen | Ernst Gugler
Ernst Gugler wurde mit dem 360°//GOOD ECONOMY AWARD für sein Lebenswerk in der Berührungsgruppe Lieferant*innen ausgezeichnet. Gugler war von Anfang an dabei und für viele Jahre ein Vorreiter des Gemeinwohl-Unternehmertums. Schon 2011 legte er mit 19 Gründungsunternehmen eine erste Gemeinwohlbilanz vor. Besonders in der Druckbranche war er ein Pionier: Seine Druckerei war 2011 die erste weltweit, die Cradle-to-Cradle Certified®-zertifizierte Produkte anbieten konnte. Zuletzt konnten mehr als 80 Druckkomponenten mit C2C Gold und Silber zertifiziert werden. Das ist der höchste Standard für ökologisch und gesund produzierte Druckwerke. Das bedeutet, dass sowohl Papier als auch die Farben frei von humantoxikologischen und umwelttoxikologischen Schadstoffen sind. Seine Ehrung betont auch die ökonomischen Herausforderungen, denen er in seiner Karriere gegenüberstand. Obwohl er hohe ökologische und ethische Standards in einer stark umkämpften Branche setzte, musste er 2023 systembedingt Insolvenz anmelden und verlor im Zuge dessen nach 35 Jahren das von Null aufgebaute Unternehmen. Lediglich die Unternehmensberatung gugler* Sinnbildung blieb in seinen Händen.
Kategorie Finanzpartner*innen | Raiffeisenbank Lech am Arlberg
Klaudia Fischer nahm den Award für die Raiffeisenbank Lech am Arlberg entgegen. Als erste gemeinwohl-bilanzierte Bank in Österreich legt sie mittlerweile ihre siebte Gemeinwohl-Bilanz vor. Die Bank, die 26 Mitarbeiter*innen beschäftigt, verfolgt eine untypische Strategie für die Branche: Es werden keine Kredite für Zweitwohnsitze vergeben, dafür aber gezielt regionale und nachhaltige Projekte gefördert. Ein E-Car-Sharing-Programm und zinsgünstige Kredite für Jungunternehmer*innen, auch ohne Sicherheiten, zählen zu den Maßnahmen, die die Bank besonders auszeichnen.
Kategorie Mitarbeitende | Stadthotel Henriette, Wien
Verena und Georg Pastuszyn vom Henriette Stadthotel in Wien schaffen durch innovative und empathische Ansätze eine besondere Einbindung ihrer Mitarbeitenden. Mit speziellen Funktionsbezeichnungen wie „Gästebegeisterer“ und „Muntermacherin“ sowie Raum für eigene Ideen und das Übertragen von Verantwortung an die Mitarbeiter*innen, fördern sie eine Arbeitsatmosphäre, die gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, Mitarbeiter*innen ans Unternehmen bindet und ihnen Stabilität bietet. Ihr Team besteht aus Mitarbeitenden aus 17 verschiedenen Nationen.
Kategorie Kund*innen & Mitunternehmen | Trumer Privatbrauerei
Seppi Sigl von der Trumer Privatbrauerei, Obertrum, setzt auf den Wert des Miteinanders. Als Mitinitiator der Vereinigung der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs stärkt er die Zusammenarbeit kleiner Brauereien gegen den internationalen Wettbewerb. Die Vereinigung, die 2021 mit zehn Brauereien begann, besteht mittlerweile aus 47 Mitgliedern, die gemeinsam das Label „100 % unabhängig“ tragen.
Kategorie Gesellschaftliches Umfeld | OeAD student housing
OeAD student housing, ein bundeseigenes Unternehmen, bietet Unterkünfte für nationale und internationale Studierende in Österreich und gilt als Vorreiter im Bau von Studierendenwohnheimen nach Passivhausstandard. Neben seinem Kerngeschäft hat das Unternehmen zwei internationale Sommeruniversitäten gegründet: Green.Building.Solutions. (GBS) für nachhaltiges Bauen und Alternative Economic and Monetary Systems (AEMS) für ethische Geldwirtschaft. Diese Bildungsinitiativen waren ausschlaggebend für die Auszeichnung in der Kategorie „Gesellschaftliches Umfeld“, weil hier über die vielen internationalen Studierenden das sinnstiftende Know-How in die Gesellschaft getragen wird.
Best Practice-Beispiele aus elf Unternehmen – Biologie der GWÖ-Werte
Der zweite Tage diente dem Best-Practice-Austausch entlang der GWÖ-Kriterien. Elf Unternehmen wurden in Kurz-Inputs vorgestellt. Als Einstieg gab es einen Impuls zur „Biologie der GWÖ-Werte“. Oliver Kirchhoff von der GWÖ-Gruppe Rheinland beschrieb drei Kategorien des menschlichen Motivationssystems: Der Belohnungsfokus setzt auf Leistung, Konsum und Machterweiterung. Er führt zur Ausschüttung von Dopamin. Beim Bedrohungsfokus geht es um Ärger und Angst, dabei wird Cortisol ausgeschüttet. Der soziale Fokus setzt auf Verbindung, Beziehung und Fürsorge; dabei wird Oxytocin ausgeschüttet. Alle drei Kategorien seien für das Leben wichtig, doch in unserer auf Konkurrenz und Konsum ausgerichteten Wirtschaft werde vor allem der Belohnungsmodus bedient und trainiert – das schnelle Glück durch Konsum, die Befriedigung durch Leistungssteigerung sowie druch Machtzuwachs, so Kirchoff. Der Sozialmodus, der für nachhaltige Zufriedenheit sorge, bleibe damit unterentwickelt. Die Werte der GWÖ würden genau hier ansetzen und einen Ausgleich für eine humane Wirtschaftswelt schaffen.

Best Practice Nr. 1: Mehrwert durch wertschätzenden Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Viele Studien belegen, dass Wertschätzung immer wichtiger wird für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Für die Motivation sich im und für das Unternehmen zu engagieren, hänge viel mehr vom Umgang und den Beziehungen im Unternehmen ab als von monetären Anreizen. In diesem von Christian Niederstätter moderierten Workshop wurden drei vorbildhafte Unternehmen vorgestellt.
Verena & Georg Pastuszyn vom Henriette Stadthotel in Wien haben eine besondere Art entwickelt, die Mitarbeiter*innen auf sehr empathischer und individueller Ebene in den Umsetzungs- und Weiterentwicklungsprozess des Hotels zu involvieren. Neben speziellen Bezeichnungen der Funktionen im Haus, wie „Gästebegeisterer“ oder „Muntermacherin“ gibt es für die Mitarbeiter*innen viel Spielraum, eigene Ideen einzubringen. Das Henriette Hotel beschäftigt Menschen aus 12 Nationen, ein großer Teil davon sind als ungelernte Kräfte ins Haus gekommen. Mit seiner wertschätzenden Unternehmenskultur schafft es die Hotelleitung, ein stabiles Team zu halten und der im Tourismus grassierenden Personalnot vorzubeugen.
Das Kurhaus Schärding Barmherzige Brüder bietet für die Mitarbeiter*innen ein sehr breit gefächertes Angebot, von unterschiedlichen gesundheitsfördernden Kursen bis hin zu Sprach- und Kommunikationstrainings, berichtete der Direktor des Hauses Harald Schopf. Es wird auf gesunde Ernährung und ein ausgewogenes Ernährungsprogramm geachtet, was neben der Reduktion von Krankenständen auch zur Verbesserung des Arbeitsklimas und des Teamgedankens beiträgt. Mit dem Führungskompass der „3-Ks“ – Klarheit, Kraft und Kontakt – setzt das Kurhaus mit Mitarbeiter*innen aus 10 Nationen auf eine offene Fehlerkultur und fördert Selbstorganisation und Eigenverantwortung.

Günter Jedliczka, OeAD student housing
OeaAD steht für den österreichischen Austauschdienst, eine Agentur des Bundes, die Austauschprogramme wie Erasmus+ im Bereich Bildung, Kultur und Forschung begleitet. OeAD student housing ist ein gemeinnütziger Wohnheimanbieter für internationale und nationale Studierende und bietet jährlich rund 10.000 Studierenden in ganz Österreich eine Unterkunft. Für Neuzugänge beim Personal wurde ein individueller Einschulungsplan entwickelt, der durch ein*e Mentor*in und regelmäßige Gespräche mit den direkten Vorgesetzten während der Einarbeitungsphase bestmöglich unterstützt wird. Eine Willkommensmappe mit kompakten Informationen ermöglicht neuen Mitarbeitenden von Anfang an eine leichtere Orientierung und ein selbständiges Arbeiten. Ein wichtiges Themen sei Vertrauen, so Günter Jedliczka, Leiter der Einrichtung, die auch sonst auf ökologische Kriterien achtet. Arbeitszeiten werden eigenverantwortlich erfasst und es besteht die Möglichkeit, ein bis drei Tage pro Woche im Homeoffice zu arbeiten.
Best Practice Nr. 2: Kooperationen als Potenzial für Synergien und Mehrwert
Kooperation kann zu einem beträchtlichen Mehrwert führen. Doch die meisten Unternehmen bleiben den in den „eigenen vier Wänden“ hängen und verpassen dabei die Chance, durch Synergien mehr zu schaffen – für sich selbst, für die gesamte Branche, oft darüber hinaus auch für die Gesellschaft. In diesem von Dominik Aumüller moderierten Best-Practice-Slot zeigten drei Gemeinwohlunternehmen, in welchen Bereichen Kooperationen gelebt und kultiviert werden können.

Die Trumer Privatbrauerei geht in vielem neue Wege, etwa duch innovatives Crowdinvesting. Eine Betriebs-Solaranlage wurde beispielsweise durch eine Finanzierung mittels Bürgerdarlehen sichergestellt – als Rückzahlung gibt es u.a. Bierlieferungen. Neue Wege geht der Juniorchef der Brauerei Seppi Sigl aber auch durch die Kooperation mit anderen Brauereien. Er gilt als Initiator und Gründungsmitglied der Vereinigung der unabhängigen Privatbrauereien Österreichs. Im Jahr 20221 schlossen sich 10 Privatbrauereien mit dem Ziel zusammen, durch ihre Verbindung eine Stärke gegenüber den wachsenden, internationalen Bierkonzernen zu entwickeln, so Seppi Sigl. Mittlerweile besteht der Verein aus 47 Privatbrauereien, die sich mit dem Label „100% unabhängig“ nach außen hin sichtbar machen und sich durch Kooperation miteinander stärken.
sozKom ist ein aus einem Verein entstandenes Unternehmen im steirischen Voitsberg, das zahlreiche Angebote der Kinder- und Jugendbetreuung/-hilfe bereitstellt, etwa ein Lerninstitut, Lehrlingsbetreuung, Kindergartenassistenz oder Nachmittagsbetreuung. Die beiden Geschäftsführerinnen Kathrin Stern und Rita Resch berichteten von innovativen Ansätzen, die sie praktizieren, etwa im Bereich Konsensfindung. Kooperationen dienen vor allem der Qualitätssicherung im eigenen Unternehmen und im ganzen Segment, so die beiden. Projekte von sozKom werden in der Regel mit Partnerorganisationen durchgeführt und nur in Ausnahmefällen allein. Immer sind jedoch alle Ebenen des Unternehmens in Projekte eingebunden, da alle Perspektiven für die erfolgreiche Umsetzung notwendig seien. Im Dachverband der steirischen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen wird das eigene Know How eingebracht, um die Qualitätssicherung in diesem Bereich sicherzustellen.
Die Szene Salzburg ist ein Kulturbetrieb, der innovative und neue Kunst, etwa im Bereich Tanztheater, forciert, um neben etablierten Einrichtungen wie den Salzburger Festspielen auch andere Impulse zu setzen. Neben den Performances, denen hier eine Bühne geboten wird, ist die Szene Salzburg einer von 11 Kulturbetrieben in Europa – der einzige aus Österreich im EU-Projekt „apap – advancing performing arts project“. Das Projekt hat zum Ziel, Ungleichhei in den zeitgenössischen darstellenden Künsten zu thematisieren und dabei das Gedankengut, das durch den Begriff des Intersektionalen Feminismus gefestigt wurde, zu nutzen, um konkrete strukturelle Antworten zu finden und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Dazu gibt es unterschiedliche Aktivitäten und Formate, beispielsweise „The Feminist School“, eine nicht-hierarchische gemeinsame Lernumgebung, berichtete Geschäftsführer Klemens Schuster,
Best Practice Nr. 3: Ökologische Nachhaltigkeit auf höchster Stufe
Ökologisch nachhaltig zu wirtschaften ist kein „nice to do“, sondern ein „must do“ für jedes Unternehmen, wenn wir die EU-Klimaziele 2030 und die von der EU vorgegebene Kreislaufwirtschaft erreichen wollen. Die Handlungsoptionen gehen hier vom ökologischen Einkauf über das ökologische Verhalten der Mitarbeiter*innen bis hin zur effizienten und suffizienten Gestaltung der eigenen Produkte und Dienstleistungen. In dieser von Gebhard Moder moderierten Session zeigten drei GWÖ-Unternehmen, was es heißt höchste ökologische Standards zu leben.

Die Firma gugler* DruckSinn in Melk/Niederösterreich gilt als Pionier im Bereich des nachhaltigen Druckens. Das Unternehmen wurde bereits 2011 als erste Druckerei weltweit mit dem Cradle to Cradle Certified-Zertifikat ausgezeichnet. Während der Großteil der Druckereien Druckfarben verwendet, die Gesundheitsgefährdungen nicht ausschließen lassen, werden bei gugler ausschließlich gesundheitlich einwandfreie Farben verwendet. Bei allen eingesetzten Materialien wird auf ökologische Qualität geachtet, auch bei Papier und Folien, so Roswitha Sandwieser vom Unternehmen. Dass der Wettbewerb gerade in der Druckbranche enorm ist – mittlerweile gibt es zahlreiche Digitaldruckereien im Billigstsegment – hat auch gugler zu spüren bekommen. 2023 musste das Unternehmen Konkurs anmelden – der Betrieb konnte jedoch mit einem neuen Investor gerettet und fortgeführt werden.
Das Unternehmen Sonnentor aus Niederösterreich wurde international bekannt durch seine Bio-Tees und Bio-Kräuter. Das Gemeinwohlunternehmen setzt zu 100 Prozent auf Rohstoffe aus biologischer Landwirtschaft. Seit 1992 kauft das Unternehmen ausschließlich Grünstrom und generiert mittlerweile 50 Prozent seines Strombedarfs mithilfe PV selbst am Standort. Dieser Strom befördert die e-Flotte inklusive e-LKW des Unternehmens. Geheizt wird mit Biomasse aus der Region und Stengelabfällen aus der Produktion. Am Standort Sprögnitz konnten in den letzten Jahren mehr als 50 Prozent der Treibhausgase eingespart werden, berichtete Florian Krautzner. Auch die Kreislaufwirtschaft wird vorangetrieben: Transportkartons werden beispielsweise wiederverwendet und dann als Füllmaterial geschreddert, bevor sie ins Recycling kommen. Krautzner begrüßte die strengeren Berichtspflichten seitens der EU, da Sonentor seit langem auf Nachhaltigkeit setze.
Das Biohotel Rupertus in Leogang ist eines der 11 offiziellen Biohotels Österreichs. Der Betrieb ist zu 100 Prozent biologisch ausgerichtet. Diese positive Kompromisslosigkeit wird nicht nur in der Küche, bei den dort verarbeiteten Lebensmitteln gelebt, sondern auch im Wellness- und Spa-Bereich, durch die Verwendung von biologischen Pflegeprodukten und Ölen. Erwähnenswert ist auch der Fokus auf regionale/europäische Produkte bei baulichen Projekten. Aber auch bei der Strom- und Wärmenutzung sowie in Sachen Mobilität wird auf ökologisch nachhaltige Maßnahmen gesetzt, berichtete Inhaberin Nadja Blumenkamp, die den Betrieb mit ihrem Mann führt. Die Gäste werden mit entsprechenden Angeboten unterstützt, die Anreise und den gesamten Aufenthalt mit einem möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck genießen zu können.
Best Practice Nr. 4: Transparenz und Mitentscheidung als Chance für die kontinuierliche Weiterentwicklung
Das Thema Mitbestimmung von Mitarbeiter*innen und Kund*innen klingt für viele Unternehmen etwas befremdlich. Der übliche Tenor: Als Unternehmer*in trage ich die Verantwortung, daher entscheide auch ich darüber, „wohin die Reise geht“. Dabei übersehen viele Unternehmer*innen noch, welche Chancen ein Klima der Offenheit und Mitgestaltungsmöglichkeiten birgt. In diesem von Manuela Kiesenhofer moderierten Best-Practice-Slot zeigten zwei Unternehmerinnen, wie das geht und was Mitbestimmung bringt.
Die Kollar GmbH ist ein Installationsunternehmen in Lilienfeld im südlichen Niederösterreich. Geführt wird das Unternehmen seit 2015 von Maria Kollar in 6. Generation und als erste Frau in einer sehr männlich dominierten Branche. Ein Erfolgsbaustein im Unterehmen ist die sehr transparente Informations- und Kommunikationspolitik. Alle Mitarbeitenden wissen praktisch alles über das Unternehmen und werden – wenn gewünscht – aktiv in die Geschäftsentwicklung einbezogen. Anders als bei vielen anderen Unternehmen scheut sich bei Kollar niemand aus der Führungsriege davor, auch wirtschaftliche Informationen preiszugeben. Im Gegenteil: Die Mitarbeitenden werden aufgefordert und angeregt, sich zu informieren und einzubringen. Maria Koller betonte, dass durch diese Transparenz ein Verständnis aller über betriebswirtschaftliche Vorgänge und auch ein entsprechendes Kostenbewusstsein entstehe. Sie spiele auch mit ihren Lieferanten und Kunden mit offenen Karten, in dem sie ihre Kosten offen darlege.

Ursula Rieder hat ihr Unternehmen Steuer.Beratung.Rieder in Piesendorf im salzburgischen Pinzgau im Jahr 2000 bereits mit einer klaren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und Menschlichkeit gegründet und zwar durch die Verknüpfung von Wirtschaft + Menschlichkeit + Lebensqualität + Nachhaltigkeit. Als Besonderheit gelten beispielsweise die sehr lebensfreundlichen Arbeitszeiten – gearbeitet wird von Montag bis Donnerstag jeweils von 8 bis 12 Uhr. Zudem gibt es sehr flexible Regelungen etwa über notwendige Freitage. Auch interessant: Bis auf einen Mann besteht das Team ausschließlich aus Frauen. Die Arbeit wird gut verteilt, damit nie überstarker Stress entsteht, so Rieder im Workshop. Sie liefert mit ihrem seit über 20 Jahren bestehenden Betrieb den Beweis, dass nachhaltig wirtschaften und gut leben zusammengehen können. Die Steuerberaterin hat dazu eine eigene Beratungsmethode entwickelt, die sie Zahlen.Zeit.Zufriedenheit nennt. Sie möchte Unternehmen darin begleiten, einen Weg zu finden, der in der Arbeit Freude und Energie spendet und ausreichend Zeit zum Leben und Genießen bereitstellt.
Resümee: Neue Unternehmenskulturen können die Wirtschaft transformieren – wir brauchen aber auch strukturelle Änderungen
Eine offene Kommunikation, klare Regeln, ein wertschätzender Umgang sowie die Förderung von Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit sind wichtige Bausteine einer neuen Unternehmenskultur, die die Mitarbeitenden nicht nur als Ausführende sieht, sondern als Mitdenkende und Mitgestaltende. Die Beiträge der Referierenden und die zahlreichen Rückmeldungen der Teilnehmenden zeigten auch, dass Veränderungen Mut und Zeit brauchen, dabei aus Fehlern gelernt und aus Erfolgen Bestätigung geholt werden kann. In der Transformationsforschung wird die Bedeutung von Change Agents hervorgehoben, die Neues anstoßen und dann zu Nachahmenden führen. Gesprochen wir hier von einer sozialen Diffusion neuer Ideen und Ansätze – analog der Ausbreitung neuer Produkte. Neues erproben, ungewohnte Wege gehen, sich vom „Das war schon Immer-So-Denken“ verabschieden – darin liegt daher Kraft für Veränderung. Gemeinwohlunternehmen sind solche Change Agents, die das Neue vorleben.
Zugleich brauchen wir aber auch strukturelle Veränderungen und neue druch die Politik zu gestaltende Rahmensetzungen, um für alle gleiche Marktbedingungen zu schaffen – dies zeigt der Mehr-Ebenen-Ansatz der Transformationsforschung. Er besagt, dass wir in allen Branchen, in allen Institutionen, in der Politik und Verwaltung sowie in der Gesellschaft Veränderungen anstoßen müssen. Daher braucht es in allen gesellschaftlichen Bereichen Menschen, die sich für Nachhaltigkeit und Menschenwürde einsetzen. Die erforderlichen Transformationen sind gigantisch und kein Spaziergang: Gefordert ist der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, die Umsetzung von 100 Prozent-Kreislaufwirtschaften, die Schaffung einer fairen Verteilung und die Unterbindung von „Überreichtum, die Sicherung der sozialen Leistungen auch ohne weiteres Wirtschaftswachstum – dies bei gleichzeitigem Rückbau der öffentlichen Verschuldung.
Die Transformationen eröffnen und fordern neue Lernfelder, sie führen aber in neue Konfliktfelder – Stichwort „Just Transition“. Der Strukturwandel braucht Um- und Neuqualifizierungen von Belegschaften, die Schrumpfung alter fossiler Branchen und den Wandel ganzer Regionen, in denen sich diese befinden. Nachhaltigkeit darf kein Luxus für jene sein, die sich diesen leisten können – etwa im feinen, aber teuren Bio-Hotel. Und einzelne vorbildhafte Maßnahmen dürfen nicht zum grünen Feigenblatt werden. Alle sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Nur im Zusammenspiel innovativer, nachhaltiger Unternehmen, einer kritischen Zivilgesellschaft und sich erneuernden politischen Parteien kann der Wandel gelingen. Dazu braucht es auch wachsame und kritische Bürger*innen, die der Politik nachhelfen und dieser andere Mehrheiten verschaffen. Den Beitrag, den Unternehmen leisten können, hat dieses GOOD ECONOMY FORUM in eindrucksvoller Weise aufgezeigt.

Das Organisationsteam um Sabine Lehner (Bildmitte) v.l.n.r. Adrijana Pejic, Christoph Schabetsberger, Sabine Lehner, Sonja Sewera und Silvia Painer
Bericht: Mag. Hans Holzinger, Senior Adviser der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen, Autor mehrerer Bücher zu Themen der Nachhaltigkeit, zuletzt erschienen „Wirtschaftswende. Transformationsansätze und neue ökonomische Konzepte im Vergleich“ (oekom 2024.
Fotos: FOTOFLAUSEN

Grafik Recording von Anita Bernitz
Mit Gemeinwohlorientierung zur Transformation der Wirtschaft





