Elektroautos können nur ein Teil der Lösung unserer Verkehrs- und Klimaprobleme sein, so Elisabeth Dütschke vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, kürzlich in einer Diskussionsveranstaltung der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen gemeinsam mit Smart City Salzburg. Und, so fügte sie hinzu, E-Mobilität sei nicht auf Autos beschränkt: „E-Bikes und E-Roller werden in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen.“ Zweifellos bestehe die heutige Auto-Mobilität im Widerspruch zu den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen. Es sei daher verlockend, einfach auf E-Mobilität umzusteigen: „Die Straßeninfrastrukturen sind gebaut, E-Autos sind technologisch ausgereift, die Kongruenz zum bestehenden System ist groß“. Notwendig sei jedoch eine Mobilitätswende in drei Schritten, so die Expertin: Erstens „Verkehr vermeiden“ etwa durch mehr Homeoffice, zweitens „Verkehr verlagern“, in Städten etwa auf das Fahrrad, und erst drittens „Verkehr verbessern“ durch den Umstieg auf E-Mobilität.


Elisabeth Dütschke, Fraunhofer-Institut: „Umweltfreundliche E-Autos können in Zukunft nur Mittel- und Kleinwagen sein.“
Dütschke, die zur Akzeptanz einer Mobilitätswende forscht, betonte die Bedeutung von veränderungsbereiten Personen und Betrieben auf der Mikroebene, die Veränderungen auf der Makroebene der Politik und Märkte anstoßen. Es gehe um lokale Akzeptanz neuer Lösungen, um Marktakzeptanz auf Angebots- und Nachfrageseite sowie schließlich um sozio-politische Akzeptanz im Sinne eines gewandelten sozialen Klimas. Fünf Schritte nannte die Expertin: die Diskussion starten, alltagstaugliche Lösungen entwickeln, die Strukturen ändern, den Pfad beibehalten, was schließlich zu neuen Normalitäten führe. Den medialen Hype um Wasserstoff teilte Dütschke nicht. Die Technologien seien nicht ausgereift und es gebe viel zu wenig Wasserstoff am Markt. Kritik übte die Expertin am Trend zu den E-SUVs, die zu Reboundeffekten führen. Denn je größer die Autos, umso mehr Antriebsenergie brauchen diese. In der Einführungsphase sei verständlich, dass Autokonzerne auf Luxuswägen setzen, weil hier die Margen größer seien. Doch: „Umweltfreundliche E-Autos können in Zukunft nur Mittel- und Kleinwagen sein.“ Die Mobilitätswende könne nur mit einem ganzheitlichen Ansatz gelingen: „Es braucht Änderungen in allen Bereichen des Verkehrssystems: in der Infrastruktur, den Verkehrsmitteln, der Raumstruktur, unserem Verhalten und unseren Einstellungen.“

Holger Heinfellner, Umweltbundesamt: „Faktencheck E-Mobilität“ fällt für Österreich positiv aus
Dies bestätigte auch Holger Leinfellner vom Umweltbundesamt Wien, Projektleiter einer im März dieses Jahres erschienenen Studie „Faktencheck E-Mobilität“, die den E-Autos beim österreichischen Strommix eine in Summe, also unter Berücksichtigung auch der Herstellung der Autos, um mehr als einem Drittel bessere Ökobilanz als den Verbrennern attestiert. Auch wenn E-Autos der S-Klasse ebenfalls besser abschneiden als fossilen Brüder, machen E-Kleinautos durchaus Sinn, man spare so nochmals ein Drittel an Treibhausgasen ein. Würde man die gesamte österreichische PKW-Flotte elektrifizieren, so ergäbe dies einen Strommehrbedarf um ca. 20 Prozent. Dies sei bewältigbar, so Leinfellner. Man würde so nämlich zugleich 9,5 Mrd. Euro jährlich für den Import an fossilen Treibstoffen und etwa 15,6 Milliarden Euro an Krankheits- und Umweltkosten einsparen. Für Österreichs Wirtschaft könnten sich große Chancen ergeben, wenn in die E-Mobilität investiert wird.
Mythen und Fehlwahrnehmungen zur E-Mobilität
Leinfellner ging auch auf Fehlwahrnehmungen und geäußerter Kritik an der E-Mobilität ein. Die Batterien würden immer besser, der Kauf eines E-Autos könne sich in 2 bis 3 Jahren amortisieren, doch gäbe es derzeit Lieferengpässe. Wichtig sei, den Kauf des E-Autos am Alltagsbedarf auszurichten, nicht an den Bedarfsspitzen. Selbst eine Fahrt nach Venedig sei mit einer Zwischenaufladung in Kärnten mit einem Auto der Kompaktklasse gut machbar. Die Umstellung des Fuhrparks auf eine E-Flotte könne er allen Betrieben nur empfehlen – diese rechne sich auch betriebswirtschaftlich. Auch die Sicherheit sei bei E-Autos nicht geringer als bei Verbrennern – in den Medien würden teilweise gezielt Horrorgeschichten verbreitet. Ein kniffliges Problem seien die Rohstoffe. Auch wenn E-Autos bedeutend weniger Material verbrauchen als herkömmliche Autos, seien vor allem für die Batterien hochwertige Rohstoffe nötig. Leinfellner setzte hier auf Recycling der Batterien, das bereits technisch ausgereift sei. Und der Materialverbrauch sei bei kleineren Fahrzeugen selbstverständlich bedeutend geringer als bei großen. Die Kritik an Ausbeutung der Arbeitenden in den Rohstofflieferländern sei legitim, das Problem müsse aber politisch gelöst werden.
Intelligente digitale Lösungen für Speicherung und Netzoptimierung
Dem Problem der möglichen Überlastung der Stromnetze, wenn alle am Abend ihre Autos an die Steckdose hängen, sei laut Heinfellner durch intelligente, digitale Lösungen zu entgegnen, etwa dass dann geladen wird, wenn genug Strom vorhanden ist oder die Batterien nicht immer voll, sondern nur für den nächsten Tagesbedarf aufgefüllt werden. Zukünftig würden E-Autos als Zwischenspeicher für Strom an Bedeutung gewinnen, wenn dieser dezentral erzeugt wird, war Heinfellner sich mit Dütschke einig. Notwendig sei jedoch, so betonte auch Heinfellner, ein Gesamtmobilitätskonzept, im dem der Stellenwert des Individualverkehrs stark verringert, die anderen Mobilitätsarten an Bedeutung gewinnen und durch eine neue Raumordnung Wege verkürzt würden. „Neue Mobilität ist mehr als der private Pkw, auch wenn er elektrisch ist“, so der Experte. Doch die Vollelektrisierung des Motorisierten Individualverkehrs bis 2040 würde laut Mobilitätsmasterplan 2030 für Österreich immerhin 9 Millionen Tonnen von den knapp 25 Millionen einzusparenden Tonnen CO2-Äquivalenten beisteuern, neben der Unterbindung des Tanktourismus, dessen Einsparpotenzial auf 6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente geschätzt wird. Auf eine Hürde verwies Heinfellner zum Schluss: Da Fahrzeuge eine Lebensdauer von 15 bis 20 Jahre haben, komme das von der EU vorgegebene Neuzulassungsverbot für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu spät. Da Österreich 2040 klimaneutral sein möchte, werde überlegt, dieses Verbot hierzulande bereits früher einzuführen. Angedacht seien Umrüstprämien für bestehende Fahrzeuge, in die ein Elektromotor eingebaut wird.
Interviews von Carmen Bayer mit den Expert:innen findet man auf JBZ TV.