Hans Karl Peterlini, Professor an der Universität Klagenfurt und Mitglied des dortigen Zentrums für Friedensforschung und Friedensbildung. https://www.derstandard.at/story/2000135362939/die-neue-kriegsrhetorik

Ein Sieger steht wohl schon fest: Im Krieg gewinnt immer der Krieg. Darüber, wer sonst noch gewinnen könnte, wer gerade welche Kampfzone mit wie viel getöteten Feinden erobert hat, berichten die meisten Medien fast schon wie über Sportereignisse – es gibt Punkte da, Punkte dort und Wetten auf den Gesamtsieg. Das mag zynisch klingen und tut einfühlsamen Reportagen ebenso unrecht wie den helfenden Händen an den zivilen Fronten, ist aber eine nüchterne Einschätzung der Stimmungslage nach über zwei Monaten Ukraine-Schlacht. Europa ist in einem Albtraum erwacht und merkt, dass er Wirklichkeit ist.

Harald Welzer, Sozialwissenschaftler: https://www.stern.de/…/ukraine-krieg—harald-welzer…

„Sich zu wehren ist das eine, aber wenn man die Ukraine unterstützen und zugleich eine neue Sicherheitsordnung bauen will, ist es mit Wehren nicht getan. Das kann sogar kontraproduktiv sein, weil eine Ausweitung des Angriffskrieges zum Volkskrieg unendlich viele Menschenleben fordert und das Ende des Krieges immer weiter verzögert. Und im Übrigen, da Kriegsgewalt ganz eigene Dynamiken entfaltet, immer in Richtung Eskalation und Totalisierung. Weshalb man Gewalt tunlichst nicht mit mehr Gewalt bekämpft. Wohlgemerkt: Alle meine Sympathie liegt aufseiten der angegriffenen Bevölkerung, absolut keine aufseiten des Aggressors. Aber wenn es darum geht, Krieg vor Entgrenzung zu bewahren, liefert die Story von Gut und Böse ein schlechtes Drehbuch. Denn die übergreifende Perspektive auf ein möglichst schnell herbeizuführendes Kriegsende und die Orchestrierung einer neuen Nachkriegsordnung, die die geopolitische Renaissance des Imperialismus, nicht nur des Putin’schen, ernst nimmt und in Rechnung stellt, lässt sich keineswegs aus der Sicht der Angegriffenen entwickeln. Einer solchen Perspektive kann es nicht um „Gewinnen um jeden Preis“ gehen – was übrigens bedeutet, dass man sich sein Handeln vom Aggressor aufzwingen lässt –, sondern darum, Handlungsspielräume zu schaffen, die Möglichkeiten für ein Ende der Gewalt eröffnen.“

Heinz Gärtner, Max Haller, Werner Wintersteiner: https://homepage.univie.ac.at/heinz.gaertner/?p=3098

„Der Ausgang ist höchst ungewiss: Ein Sieg der Ukrainer, indem sie die Russen aus ihrem Land hinauswerfen, erscheint unwahrscheinlich. Die wirtschaftliche und militärische Ungleichheit der Ressourcen beider Länder, vor allem, wenn der Krieg länger dauert, ist zu massiv. Ist es in dieser Situation noch zu vertreten, dass der Krieg weitergeführt und vom Westen befeuert wird? Die USA leisten logistische Hilfe und überwiesen der Ukraine wohl schon zwei Milliarden Dollar Militärhilfe. Präsident Joe Biden pflegt eine erschreckende Kriegsrhetorik. Die meisten westeuropäischen Länder (England, Frankreich, Niederlande usw.) schicken Waffen. Der deutsche Bundeskanzler, Olaf Scholz, wird für seine zögerliche Haltung gescholten, jedoch steht er damit in guter sozialdemokratischer Tradition, für welche der Frieden seit jeher ein zentraler Wert war. Inzwischen hat auch die Bundesrepublik ihre bisherige Politik aufgegeben, keine Waffen an kriegsführende Staaten zu liefern, und überweist der Ukraine fast eineinhalb Milliarden Euro — schamhaft „Ertüchtigungshilfe“ genannt. Auch die EU selbst zahlt eine Milliarde Euro. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief am Karsamstag alle Mitgliedstaaten auf, Waffenlieferungen an die Ukraine zu beschleunigen. Sie stellte fest: „Wir müssen alles tun, dass der Krieg so schnell wie möglich endet. Und wir müssen uns zugleich vorbereiten, dass er schlimmstenfalls noch Monate, gar Jahre dauern kann.“ Ja, würde es nach Jahren Krieg überhaupt noch eine Ukraine geben, in der die Bürger menschenwürdig leben können? Auch die schärfsten Wirtschaftssanktionen werden Russland nicht in die Knie zwingen. Ohne irgendeinen benennbaren Erfolg wird Putin sich nicht aus der Ukraine zurückziehen. Dagegen haben er und noch deutlicher seine Handlanger sogar den Einsatz von Nuklearwaffen in den Raum gestellt.“

Richard David Precht: https://www.stern.de/p/plus/gesellschaft/richard-david-precht-zum-ukraine-krieg—wir-muessen-endlich-vernuenftig-handeln–31701356.html

„Wir müssen aufhören, emotional zu handeln und zur Vernunft zurückkehren“. Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine und Waffenlieferungen in eben diesen Krieg – das ist ein unauflösbarer Widerspruch, sagt der Philosoph Richard David Precht. Und: Wir ignorieren gerade die europäische Geschichte, die eine Friedensordnung ohne Russland nicht kennt.