Erschienen auf Salzburger Nachrichten online sowie gekürzt in der Wiener Zeitung online und in der Printausgabe vom 3.8.2021.

Dass mit Sprache Stimmung und Politik gemacht wird, ist nicht neu. In den Kommunikationswissenschaften spricht man von Framing. Aussagen werden in bestimmte Kontexte gesetzt, um damit bestimmte Ziele zu erreichen. Nun mag der „Steinzeit“-Sager von Bundeskanzler Sebastian Kurz nach hinten losgegangen sein. Seine Ausführungen zum „Verzicht“ erfordern aus Sicht der Nachhaltigkeitsforschung jedoch genauere Antworten, wie sie etwa aus der österreichischen Klimawissenschaft bereits gegeben wurden. Zur Erinnerung: Es sei der falsche Weg zu glauben, dass wir das Klima dadurch retten können, dass wir uns im Verzicht üben. Der einzig richtige Zugang ist, auf Innovation und Technologie zu setzen, so Sebastian Kurz. Dazu vier Anmerkungen. Erstens: Das Setzen auf neue Technologien und eine Veränderung unseres Lebensstils, unseres Mobilitäts-, Konsum- und Ernährungsverhaltens, widersprechen einander nicht. Wir brauchen beides. Wobei technologische Lösungen zunächst leichter umzusetzen sind. Der Umstieg vom Verbrennungsmotor auf das Elektroauto erfordert keine Verhaltensänderung, der Umstieg auf den Öffentlichen Verkehr oder das Fahrrad schon. Das Elektroauto, das wir durchaus brauchen werden, aber nicht allein den Verkehr nachhaltiger macht, ermöglicht neue Absätze, was Unternehmen und den Fiskus freut. Öffentlicher und Radverkehr brauchen zwar auch Investitionen, vor allen in neue Infrastrukturen, aber sie erfordern zudem neue Routinen.

Bereits reiche Gesellschaften werden in Zukunft nicht nur nachhaltiger produzieren und konsumieren, sondern sich auch mit geplanter Schrumpfung auseinandersetzen müssen. Das führt zu meinem zweiten Einwand: Verzichten können wir nur auf etwas, das uns im Grunde zusteht, unser ressourcenintensiver Lebensstil steht uns aber nicht zu, so die Umweltökonomin Maja Göpel. Unser ökologischer Fußandruck ist viel zu groß, als dass er für alle Erdenbewohner und -bewohnerinnen tragbar wäre. Uns weniger zu nehmen von dem, was uns der Planet dauerhaft gibt, ist somit auch ein Gerechtigkeitsgebot. Drittens ist zu fragen, worauf wir jetzt verzichten: auf von Abgasen und Autolärm freie Städte, auf öffentliche Räume, die zum Verweilen einladen, auf leistbares Wohnen für alle, auf Lebensmittel hoher Qualität für alle, ja auch auf mehr Zeit für Muße und soziale Kontakte für alle. Eine nachhaltige Gesellschaft braucht nicht nur bessere Technologien, sondern setzt auch neue Prioritäten, fokussiert auf Grundbedürfnisse und eine faire Verteilung des dann wahrscheinlich geschrumpften Wirtschaftsprodukts, was aber kein Problem darstellt, wenn die Verteilung passt. Neue Arbeitszeitmodelle sind daher aus sozialen und ökologischen Gründen eine kluge Zukunftsstrategie, neben adaptierten Steuersystemen, die nachhaltiges Verhalten von Unternehmen wie von uns als Bürgern und Bürgerinnen belohnen und die dem Auseinanderdriften von Arm und reich entgegenwirken.

Viertens schließlich geht es um unsere Glaubwürdigkeit gegenüber den jungen und nächsten Generationen. Das ist keine technologische oder ökonomische, sondern eine moralische Frage. Die Erkenntnisse der Klimaforschung, der Ökosystemforschung generell, sind evident: es liegt an uns, jetzt die Veränderungen anzugehen, die Zeitfenster schließen sich, wenn wir Kippunkte erreichen und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen irreversibel werden. Die Umwelt ist nicht etwas, das außerhalb von uns liegt und das es deshalb zu schützen gelte, sondern sie ist die Basis für unser Gedeihen-Können und für intakte Lebensgrundlagen auch kommender Generationen. Die jungen Klimaaktivisten und -aktivistinnen haben dies durchaus begriffen. Die erforderlichen Ökowenden im Bereich Mobilität, Wohnen, Konsum und Ernährung sind bereits in vielen Studien und Büchern beschrieben. Und es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Realexperimenten, von denen zu lernen ist – ob wirksame CO2-Steuern, die in Schweden bereits vor 20 Jahren eingeführt wurden, Carsharing-Modelle in Wohnanlagen, moderne öffentliche Verkehrssysteme, Fahrradstädte oder einfach Menschen, die für sich neue Prioritäten gesetzt haben und lustvoll nachhaltig mit bedeutend weniger Konsum leben.

Hans Holzinger ist Nachhaltigkeitsexperte der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, Autor mehrerer Bücher zum Thema, zuletzt erschienen „Post-Corona-Gesellschaft. Was wir aus der Krise lernen sollten“ (2020). Email: hans.holzinger@jungk-bibliothek.org