Wie es aussieht, wird uns das Corona-Virus noch länger zusetzen. An wirksamen Medikamenten wird fieberhaft geforscht, ebenso an einem Impfstoff. Wann es soweit sein wird, ist allerdings noch offen. Eine gute Nachricht: Die Lock down-Maßnahmen wirken. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus konnte in den meisten Ländern eingebremst werden. Gewarnt wird vor einer zweiten Welle nach dem Zurückfahren der Beschränkungen. Offen ist auch, wie sich die Pandemie in den Ländern des Südens ausbreiten wird. Im Folgenden der Versuch einer Sortierung einiger aktueller Befunde und Prognosen.

Aktuelle Daten zur weltweiten Entwicklung der Coronavirus-Pandemie zeigt die Realtime-Karte der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore/Maryland. Demnach waren am 13. April bereits 185 Staaten betroffen, es gab 1,85 Millionen Infizierte und knapp 115.00 Tote. Liveticker wie jene von Süddeutsche Zeitung,  Zeit-Online, Die Welt, Handelsblattes, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau,  Westdeutscher Rundfunks oder Bayrischer Rundfunk berichten laufend über aktuelle Nachrichten weltweit und für Deutschland. In Österreich gibt es etwa Corona-Schwerpunkte von ORF, Wiener Zeitung, Die Presse, Profil, Falter-Zeitung, Falter-TV oder Furche. Aus der Schweiz und weltweit berichtet u. a. die Neue Züricher Zeitung in einem Liveticker. Wir sind bestens informiert über die jeweils aktuellen Zahlen und Maßnahmen der Regierungen.

Aktuelle Lage verweist auf geringfügige Entspannung in Europa

Die Zahl der Corona-Toten in Europa ist am 12. April, dem Ostersonntag, auf über 75.000 gestiegen: 80 Prozent aller Todesfälle in Europa fielen auf die Länder Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien. Europa ist der Kontinent mit den meisten Infektions- und Todesfällen, berichtet die Frankfurter Rundschau. Die Länderstatistik führt mittlerweile die USA an, die jedoch bevölkerungsmäßig etwa den EU-Staaten entspricht.

China und Südkorea vermelden seit einiger Zeit, dass die Ausbreitung des Virus weitgehend gestoppt worden sei, Neuinfizierte vor allem durch Rückkehrer aus dem Ausland erfolge. Der Zenit der Ausbreitung scheint auch in den europäischen Hotspots Italien, Spanien, Belgien und Frankreich überschritten zu sein, auch wenn die Zahl der Toten weiter hoch ist. In Deutschland stieg die Zahl der Todesfälle am Ostermontag auf insgesamt über 3.000 – aber es gibt mittlerweile mehr Genesene als aktuell noch Infizierte. In Österreich wurden bei 14.000 positiv Getesteten 368 Todesfälle vermerkt – bei einem deutlichen Rückgang der Neuinfizierten. Auch hier übersteigen seit 13. April die Genesenen die Erkrankten.  Die Schweiz verzeichnete am Ostermontag knapp 25.600 Infizierte und 885 Corona-Tote, also mehr als doppelt so viele wie Österreich. Die Zahl der Neuinfizierungen ist in den letzten Tagen jedoch ebenfalls stark zurückgegangen. In den USA stieg die Zahl der Todesfälle auf über 22.000, die Hälfte davon beziehen sich auf New York, wo die Lage noch immer dramatisch ist. Die Zahl der Todesfälle ist am 14. April auf über 2.200 gestiegen.

Weniger erfährt man aus Ländern des Südens

Die laufend aktualisierte Landkarte der John Hopkins University zeigt, dass die Hotspots der Pandemie sich zunächst von China nach Europa und den USA verlagert haben, die Ausbreitung im Nahen Osten stark zunimmt, etwa in der Türkei und im Iran. In Russland ist das Virus im Anrollen, in Lateinamerika ist Brasilien am stärksten betroffen, andere Länder wie Ecuador, Peru oder Chile ziehen nach. Ein Beispiel: Die Millionenmetropole Guayaquil in Ecuador ist in Lateinamerika eine der Städte, die am schlimmsten vom Coronavirus betroffen sind. Laut NZZ habe am Ostermontag eine Sondereinheit der Polizei mehr als 1.400 Leichen aus Wohnungen und Spitälern der Hafenstadt abgeholt. Wegen der völligen Überlastung von Gesundheitssystem und Beerdigungsinstituten waren Tote zuletzt tagelang in Wohnungen liegengeblieben.

In Afrika ist laut verfügbaren Daten der John Hopkins University die Ausbreitung noch gering, Spitzenreiter Südafrika meldet gut 2.000 Infizierte und 25 Tote (Stand 13. April), laut einem ARD-Tagesschaubericht vom 12.4. wird jedoch eine rasche Ausbreitung befürchtet. Ein Ö1-Abendjournalbericht macht deutlich, dass Corona die Verletzlichkeit afrikanischer Staaten weitererhöhen werde. Experten halten Nordkorea in der Coronavirus-Pandemie für besonders gefährdet. Das mit zahlreichen Sanktionen belegte Land ist international nahezu vollständig isoliert, das Gesundheitssystem ist schwach. Bei all diesen Daten ist zu berücksichtigen, dass sie die Dunkelziffer nicht enthalten – Schätzungen gehen vom Drei- bis Vierfachen der als infiziert Registrierten aus, dass unterschiedlich intensiv getestet und wohl auch gemeldet wird.

Entwicklung der Infizierten und Todesraten

Grafiken der Neuen Zürcher Zeitung auf Basis der John Hopkins University zeigen, dass in Europa Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien die meisten Todesfälle zu verzeichnen sind, insgesamt die USA aber mittlerweile die Todesliste anführen. Bei der Anzahl der Infizierten pro 100.000 EinwohnerInnen liegt Spanien mit 350 Fällen vor Belgien und Italien mit ca. 260 Fällen, Frankreich mit ca. 200 Fällen dennoch vor den USA mit ca. 180 Fällen. Eine interaktive Grafik zeigt die Ausbreitungsgeschwindigkeit in den USA nach Bundesstaaten – dramatisch ist der Anstieg im Hotspot New York. Eine weitere interaktive Grafik illustriert die Entwicklung weltweit nach Staaten. Die erfreuliche Nachricht: In den  Staaten, in denen einschränkende Maßnahmen ergriffen wurden, beginnen diese zu wirken: die Ansteckungsraten sinken. Hat vor einigen Wochen eine Person noch an die drei weitere Personen angesteckt, so sank diese Rate in vielen Ländern, auch in Österreich, mittlerweile unter eine Person pro Infiziertem. Und die Zahl der Genesenen nimmt in vielen Ländern mittlerweile stark zu, in Österreich seit Anfang April. Mittlerweile sind in Österreich über die Hälfte der 14.000 Infizierten wieder genesen.

Aufschlussreich sind Statistiken über das Verhältnis von Todesfällen zu EinwohnerInnen bzw. zu positiv Getesteten: Dabei kommt in Europa Spanien auf 33 Tote pro 100.000 Einwohner, Italien auf 30 und Belgien auf 22. Deutschland verzeichnet demnach nur etwas mehr als drei Corona-Tote je 100.000 Einwohner. Blickt man auf die Todeszahl pro 100 bestätigter Fälle liegt Italien mit 12,7 % an der Spitze, gefolgt vom Vereinigten Königreich (12,1%) und den Niederlanden (11 %). Deutschland kommt dabei auf einen Wert von 2,2 % (Stand 10.4, Deutschlandfunk). Auch hier spielt die Zahl der Getesteten eine Rolle: So weist Schweden mit über 900 Corona-Toten bei knapp 11.000 positiv Getesteten eine hohe Todesrate auf, die Dunkelziffer ist jedoch hoch, da verhältnismäßig wenig getestet wird (Stand 14.4., swp.de).

Im Vergleich mit anderen Ländern weist auch Österreich eine extrem niedrige Zahl an Todesfällen auf. Verantwortlich dafür dürften das niedrige Durchschnittsalter der infizierten Personen und spezifische Infektionsketten sein. In Österreich hätten sich sehr viele beim Schifahren angsteckt und das seien eher Jüngere, so die Wiener Zeitung. Die Skifahrer-These scheine nicht nur für Österreich einige Zusammenhänge zu erklären, sondern auch für andere Länder. So weisen etwa Deutschland und Norwegen eine ähnlich niedrige Todesrate wie Österreich auf. In beiden Ländern führen zahlreiche Hauptinfektionsketten in die Tiroler Wintersportorte, so der Beitrag. Ein gutes Gesundheitssystem mag im Vergleich mit ärmeren Staaten hier eine Rolle spielen, als Erklärung allein taugt dieses jedoch nicht, wie etwa die bedeutend höheren Todesraten in Belgien und der Schweiz zeigen.

Wichtig für die Gesundheitspolitik ist die Zahl der Schwererkrankten sowie die verfügbaren Intensivbetten. Während Italien, Spanien oder Frankreich hier Probleme hatten, ist die Situation in Deutschland und Österreich diesbezüglich entspannt.

Sonderweg im Umgang mit der Pandemie

Einige europäische Staaten versuchten anfangs einen Sonderweg. Niederlande und Großbritannien sind nach der Zunahme der Infizierten und Toten davon abgegangen. In den Niederlanden wurden bis Ostermontag 26.500 Personen positiv auf das Coronavirus getestet. Über 2800 Personen sind bisher in den Niederlanden an der Lungenkrankheit COVID-19 gestorben. Großbritannien dürfte in Europa das am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land werden. Regierungschef Boris Johnson, der selbst infiziert wurde und aufgrund anhaltender Symptome auf der Intensivstation lag, hat für die nächsten drei Wochen starke Maßnahmen angekündigt.

Nur Schweden ist bei einem Sonderweg geblieben: Kindergärten und Grundschulen bis zur neunten Klasse sind anders als Gymnasien und Unis weiter offen. Das Gleiche gilt für Restaurants, Kneipen und Cafés, die ihre Gäste seit kurzem aber nur noch am Tisch bedienen dürfen. Die Skigebiete sind ebenfalls weiter geöffnet, die Staatsgrenzen für Nicht-Europäer dicht, nicht aber für BürgerInnen der EU und der Europäischen Freihandelszone. Und durch Stockholm fahren weiter mit Pendlern ge- oder überfüllte Busse. Erst am Freitag vor Ostern wurde verlautbart, dass Versammlungen auf maximal 50 Teilnehmer begrenzt werden, davor waren es 500. Verfolgt werden zwei Hauptmaßnahmen: Wer sich krank fühlt, bleibt sofort zu Hause. Und wer älter als 70 Jahre ist oder eine Vorerkrankung hat, isoliert sich selbst. Außerdem fordert die Behörde alle BürgerInnen auf, Abstand zu halten. Schweden setzt eher auf Freiwilligkeit und die Einsicht der BürgerInnen und weniger auf Verbote – das mag der liberalen Gesinnung und einer starken zivilgesellschaftlichen Verantwortung geschuldet sein. Die Zukunft wird zeigen, ob der eingeschlagene Weg richtig war. Auch in Schweden gehen die Infektionen zurück. Allerdings sind dort 1.000 Menschen verstorben, also mehr als doppelt so viele wie in Österreich bei einer nur geringfügig höheren EinwohnerInnenzahl (10 Millionen). In Belgien wiederum (elf Millionen Einwohner, strenger Lockdown) zählen die Behörden 4.000 Tote, zehnmal so viel wie in Österreich.

Griechenland ist mit 2.100 Infizierten und knapp 100 Toten bislang wenig betroffen. Dies kann sich jedoch noch ändern. Problematisch ist der dramatische Einbruch des Tourismus. Zwei Drittel der Hotels könnten Pleite gehen, wird befürchtet. Prekär könnte die Lage in den Flüchtlingslagern werden: Menschenrechtsgruppen befürchten wegen der Corona-Pandemie vor allem im Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos eine Katastrophe. Inzwischen leben rund 20.000 Menschen in dem Lager, das eigentlich für weniger als 3.000 ausgelegt ist. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR fordert angesichts dessen, möglichst viele Menschen aufs Festland zu holen.

Mehr Stimmen aus der Wirtschaft für Lockerung der Maßnahmen

In Europa scheint der Zenit der Pandemie überschritten zu sein. Die dramatischen Bilder von Behandlungsengpässen in norditalienischen Spitälern oder im französischen Elsass sind voraussichtlich Geschichte. Es mehren sich daher die Stimmen jener, die eine stärkere Lockerung der Maßnahmen fordern: In Deutschland etwa der Ökonom Thomas Fuest, das ifo-Institut oder der Virologe Hendrik Streeck, der die strengen Maßnahmen insgesamt kritisiert. Nach China und neben Tschechien ist Österreich eines jener Länder, das als erstes die Einschränkungen zurücknehmen möchte, was auch international rezipiert wird, wie ein Bericht der deutschen Tagesschau zeigt. Ab 14. April sollen wieder alle Geschäfte offenhalten dürfen. In Spanien wurden die Corona-Maßnahmen bereits einen Tag früher, den 13. April, gelockert, die meisten Spanier und Spanierinnen können wieder arbeiten gehen.

Ein ORF-Bericht meldet Lockerungen der Beschränkungen in sechs EU-Staaten ab Osterdienstag:  Neben Österreich und Spanien auch Italien, Dänemark, Litauen und Tschechien. In Deutschland empfahl ein von der Nationalakademie Leopoldina organisierter Verbund von 26 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Regierung, in der Viruskrise einen Fahrplan „zur allmählichen Rückkehr in die Normalität“ zu entwickeln. Doch Virologen und Virologinnen warnen: Es bestehe das Risiko, dass die Infiziertenzahlen wieder hochschnellen. Keine Lockerungen gibt es in Großbritannien und Frankreich.

In mehreren Ländern wie in Deutschland wird neben der Öffnung der Geschäfte auch über die Wiedereröffnung der Schulen diskutiert. In der Bevölkerung ist die Zustimmung zu den Covid-Maßnahmen jedoch weiterhin hoch: Die Mehrheit der Deutschen ist gegen eine Lockerung des Kontaktverbots zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, berichtet der Tagesspiegel. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa plädierten 44 Prozent für eine Verlängerung der Maßnahmen über den 19. April hinaus, 12 Prozent sind sogar für eine Verschärfung. Nur 32 Prozent sind für eine Lockerung und 8 Prozent für eine Abschaffung der von Bund und Ländern beschlossenen Einschränkungen.

Ein Corona-Blog der Universität Wien informiert über Erhebungen über die Wahrnehmung von Corona in Österreich und die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Eine Studie über die psychologischen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen zeigt, dass Kurzarbeit und Homeoffice gut angenommen werden. Negative Gefühle zeigen vor allem Arbeitslose, SchülerInnen und Studierende, sowie haushaltsführende und arbeitsunfähige Menschen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einer zweiten Welle, sollten die Lockerungen zu schnell erfolgen. Auch die Hoffnungen auf eine Herdenimmunität sind zerstoben. Es ist unmöglich, jene Zahl der Immunisierten zu reichen, die nötig wäre, und eine wirksame Immunisierung in der Bevölkerung zu erreichen: die Schätzungen reichen von 50 – 70 Prozent. Ein in Österreich durchgeführter „Dunkelziffertest“ unter 2.000 Personen hat ergeben, dass lediglich 1 Prozent der Bevölkerung infiziert ist. Abhilfe würde hier lediglich ein wirksamer Impfstoff schaffen. Und zur Behandlung der Schwererkrankten brauchen wir wirksame Medikamente.

Fieberhafte Erforschung wirksamer Medikamente

Weltweit werden derzeit in verschiedenen Studien mehrere Medikamente darauf untersucht, ob sie unter Umständen gegen SARS-CoV-2 helfen. Die größten sind die von der Weltgesundheitsorganisation WHO initiierte Solidarity-Studie sowie die von der französischen Forschungsorganisation INSERM koordinierte Discovery-Studie in Europa, an der sich unter anderem Deutschland, Belgien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Spanien, Schweden und Großbritannien beteiligen, wie ein guter Beitrag auf Deutschlandfunk informiert.

Als antivirale Medikamente werden vornehmlich Wirkstoffe untersucht, die ursprünglich zur Behandlung anderer Viruserkrankungen entwickelt wurden, etwa Ebola, HIV, Hepatitis C, Grippe, oder der Coronaviren SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome) oder MERS (Middle East Respiratory Syndrome). Beim Einsatz gegen SARS CoV-2 erhofft man sich, dass diese Medikamente die Vermehrung des Virus blockieren oder verhindern, dass es in Lungenzellen eindringt. Daraufhin wird auch ein seit Jahrzehnten etabliertes Malaria-Medikament geprüft, das auch gegen verschieden Virenarten wirkt.

Institute melden zwar seit Wochen mögliche Erfolge bei Medikamenten – hier geht es sicher auch um die Erzeugung von Aufmerksamkeit. Genaue Prognosen werden aber selten genannt: Der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Karl Broich, hat die Einschätzung von Experten bestätigt, dass es noch in diesem Jahr eine Zulassung für Covid-19-Medikamente geben könnte, so ein Bericht auf T-online.

Es wird daher davon ausgegangen, dass die Pandemie länger anhalten wird und das Ziel sein müsse, diese kontrolliert ablaufen zu lassen und insbesondere Hochrisikogruppen zu schützen. Über Containment soll wieder erreicht werden, Kontakte von Infizierten mit anderen Personen zu rekonstruieren und die Ansteckung neuer Personen zu unterbinden. Das Robert-Koch-Institut hat hierfür Stellen für Containment-Scouts ausgeschrieben, die in der Erfassung der Daten helfen sollen.

Kontrovers diskutiert wird die Einführung von sogenannten Corona-Apps, über die Infizierte erfasst und andere Personen vor diesen gewarnt werden können. Als Kernstück dient ein Kontakt-Tagebuch, indem persönliche Begegnungen mittels „digitalem Handshake“ anonymisiert gespeichert werden. Treten bei einer Person dann Symptome einer Corona-Erkrankung auf, wird man als Kontakt automatisch benachrichtigt und gebeten, sich selbst zu isolieren. In Österreich wird vom Roten Kreuz eine App angeboten, die aber – anders als von der Regierung anfangs angedacht – nur auf freiwilliger Basis zur Anwendung kommt. Die Europäische Kommission hat am 8. April Empfehlungen für die Verwendung von Apps und mobilen Daten zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorgelegt. Digitale Lösungen können eine wichtige Rolle bei der schrittweisen Aufhebung der Notfallmaßnahmen spielen, wenn sie gut koordiniert sind und im Einklang mit den EU-Regeln stehen, so der Kommissär für den Binnenmarkt Thierry Breton. Die Empfehlungen betreffen einerseits den Einsatz von Applikationen, die es Bürgerinnen und Bürgern erlauben, ihre Kontakte nachzuverfolgen. Andererseits beziehen sie sich auf die Verwendung aggregierter, anonymisierter Daten, mit deren Hilfe die weitere Entwicklung der Pandemie projiziert werden soll.

Szenarien für den weiteren Verlauf der Pandemie

Wie die Pandemie weiter verläuft, hängt nicht nur davon ab, wie sich Menschen verhalten. Auch Parameter wie das Wetter könnten eine Rolle spielen, wie ein Beitrag  in Der Zeit berichtet. Viele hatten gehofft, dass sdie höhere Luftfeuchtigkeit und mehr UV-Strahlung in den kommenden Monaten den Ausbruch verlangsamen könnten. Diese Hoffnung aber könnte sich zerschlagen. Der Virologe Christian Drosten, Chefberater der deutschen Bundesregierung,  geht im Gegenteil sogar davon aus, dass der Ausbruch erst in den Sommermonaten seinen Höhepunkt erreichen könnte. Bei seiner Aussage bezieht sich der Virologe auf aktuelle Forschungsergebnisse einer Gruppe um den Harvard-Wissenschaftler Marc Lipsitch.

Die Forscher haben mit einem mathematischen Modell simuliert, wie der Coronavirus-Ausbruch weitergehen könnte – und zwar bis 2025. In ihrer noch nicht von Experten begutachteten Studie gehen sie davon aus, dass es in gemäßigten Klimazonen nach einer ersten Pandemiewelle zu wiederholten Ausbrüchen von Sars-CoV-2 in den Wintermonaten kommen könnte. Zu diesem Ergebnis kam auch eine andere Forschungsgruppe, die bei ihren Berechnungen auf Daten aus Schweden zurückgriff.

Dieses Szenario könnte eintreten. Vielleicht kommt es aber auch anders und das Virus verschwindet nach einem heftigen Ausbruch für eine Weile und taucht erst nach Jahren wieder auf. Um besser einschätzen zu können, wie sich die Situation langfristig entwickeln wird, fehlen immer noch Informationen darüber, wie lange Menschen nach einer Infektion mit dem neuen Coronavirus immun sind. Helfen könnte ein Impfstoff, mit dem Forscher etwa in einem Jahr rechnen, schreibt Die Zeit.

US-Forscher der University of Washington wagten eine Prognose zur Pandemie bis August 2020. Demnach hat Deutschland die größte Welle nach Ostern schon hinter sich. Bis August rechnen die Forscher jedoch mit rund 7.000 Todesfällen in Deutschland. Für Großbritannien werden die erwarteten Todeszahlen bis August mit etwa 37.000 angegeben. Für die USA rechnen die Forscher mit rund 60.000 Toten bis zum Sommer.

Neben den sich mehrenden Stimmen für eine Lockerung des Shutdown gibt es auch kritische Stimmen, die den Staaten zu langes zuwarten und ein anfangs zu geringes Ernstnehmen der Pandemie vorwerfen. Einer ist der Schweizer Mediziner Paul Robert Vogt, Leiter der Stiftung „EurAsia Heart“, der u. a. kritisiert, dass viel zu wenige Test durchgeführt wurden, um valide Daten für Ausbreitungsprognosen zu erhalten. Die Schweiz zählt zu den Ländern mit den pro Kopf am meisten Infizierten und höchsten Todesraten. In Der Standard wurden die Versäumnisse  der Politik nachgezeichnet, nachdem die WHO Covid19 am 30.Jänner 2020 den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hatte. Mehr Tests fordert in Österreich auch die Tropenmedizinerin und Vorsitzende der SPÖ in Österreich Pamela Rendi-Wagner. Der Epidemieexperte Markus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen bringt seine Erfahrungen mit Epidemien in den Ländern des Südens ein. Sein Fazit: Leben rettet man in den Krankenhäusern, Epidemien besiegt man außerhalb. Die reichen Länder, unerfahren im Umgang mit Epidemien, hätten zu spät reagiert und sich zu stark auf die Behandlungen im Krankenhaus konzentriert.

Für Unruhe sorgen neue Berichte über angebliche Neuifizierungen von bereits Genesenen in Südkorea. Die WHO untersucht dort Fälle, bei denen es zu einer neuerlichen Infektion gekommen sein könnte. Die möglichen Erklärungen für das Phänomen reichen von problematischen Tests bis zur Mutation des Virus‘, so ein Bericht in den Salzburger Nachrichten.

Über den Zeitpunkt, zudem eine vollwertige Impfung gegen Covid-19 bereit gestellt werden kann, gibt es widersprüchliche Aussagen: Für Verwirrung sorgt die Aussage von Dietmar Hopp, dem Mehrheitseigentümer des Tübinger Pharmaunternehmens CureVac, dass bereits im Herbst 2020 ein Impfstoff gegen das neue Coronavirus zur Verfügung stehen könnte. CureVac will im Frühsommer mit klinischen Tests beginnen. Demgegenüber setzt das Paul-Ehrlich-Institut darauf, dass selbst bei höchster Geschwindigkeit und positiven Ergebnissen in der Forschung frühestens im Frühjahr 2021 ein Impfstoff gegen Covid-19 bereitsteht.  Immerhin muss ein Impfstoff auf seine Sicherheit und Wirksamkeit hin ausgetestet werden, bevor er an alle Menschen verteilt wird, berichtet der SWR auf seiner Wissenschaftsseite.

Der Autor und Begründer der Gemeinwohlakademie Christian Felber spricht ein Tabu an, wenn er die ergriffenen Maßnahmen mit den Folgen dieser Maßnahmen abwiegt: Bewegungsarmut, Vereinsamung, innerhäusliche Konflikte und die wirtschaftlichen Folgen des Lockdown. Er relativiert auch die Todeszahlen, da nicht klar sei, welche Personen durch und welche mit Corona gestorben seien.

Anders sieht dies Herwig Kollaritsch, Tropenmediziner und ein wichtiger Berater der österreichischen Corona-Taskforce, im Wiener Falter.  Mehr Covid-19-Kranke würden unweigerlich mehr ­Intensivpatienten bedeuten. Deshalb müssen alle Maßnahmen auf eine stabile Gesamtzahl von Infizierten ab. Sie stagniert, wenn jeder Erkrankte höchstens einen anderen ansteckt, was in Österreich erreicht worden sei. Nun müsse der Staat Wege finden, die Ansteckungsrate trotz Geschäfts- und Freizeitlebens kleinzuhalten. Kranke stecken dann niemanden an, wenn sie und ihre Kontakte schnell identifiziert werden. Notwendig sei daher, viele Menschen zu testen und Infizierte zu überwachen, etwa mit einer App. Und wenn die Zahl schnell steige, wieder Ausgangsbeschränkungen hochziehen.„Vergessen Sie die Durchseuchung“, sagt Kollaritsch: „wenn wir die Krankenzahl halten, haben sich bis zur Impfung keine zehn Prozent der Österreicher angesteckt.“ Es beginne ein Jahr der Entbehrungen.

Fazit: Es gibt noch sehr viele Unbekannte. Wir müssen aber davon ausgehen, dass die Pandemie uns länger begleiten wird. Gut verständlich erklärt dies die junge Chemikerin Thi Nguyen-Kim auf maiLab, eine Wissenschafts-Coproduktion von ARD und ZDF für junge Leute, wenn sie meint, dass Corona gerade erst richtig losgeht.

Die sozioökonomischen und demokratiepolitischen Folgen der Pandemie bleiben weiteren Sortierungen vorbehalten.

Mag. Hans Holzinger ist Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. Zuletzt erschien sein Buch „Von nichts zu viel – für alle genug“. Rückmeldungen: hans.holzinger@jungk-bibliothek.org